Die Juedin von Toledo
Kommission, welche Jehuda daraus bezog. Er wollte dieses Geld nicht behalten. Nun hatten die Juden von Paris bei ihrer Vertreibung eine Thora-Rolle retten können, die als die älteste vorhandene Niederschriftder Fünf Bücher Mose galt, das Sefer Hillali. Jehuda erwarb das Buch für dreitausend Maravedí; es gab keinen andern, der den Flüchtlingen auf so vornehme Art eine so ungeheure Summe gespendet hätte.
Er saß mit Musa vor der kostbaren, gebrechlichen Pergamentrolle, welche das Wort Gottes und das edle, erhabene Schrifttum des jüdischen Volkes weitergegeben hatte von Geschlecht zu Geschlecht. Sie beschauten mit gierigen und ehrfürchtigen Augen, sie betasteten mit behutsamen Händen das wunderbare Buch.
Jehuda hatte daran gedacht, die Pergamentrolle der Aljama zu übergeben. Aber von jeher hatte es ihn verdrossen, daß die Synagogen Toledos so unscheinbar waren. Er wird den rechten Rahmen um sein wunderbares Buch bauen, ein Tempelhaus, welches dieser kostbaren Handschrift würdig ist, welches Israels würdig ist und der uralten Aljama von Toledo und auch seiner selbst, Jehuda Ibn Esras.
Musa gab zu bedenken: »Wirst du nicht den Zorn des Erzbischofs und der Barone noch mehr steigern?« Jehuda hatte dafür nur ein abschätziges Lächeln. »Ich werde dem Gotte Israels ein würdiges Haus bauen«, sagte er. Musa, freundlich, doch vielleicht ein wenig ernster als sonst, mahnte: »Zäume dein Roß nicht zu prächtig auf, Jehuda, mein Freund. Sonst hast du am Ende nur das Geschirr und die Schabracke, und das Pferd ist davon.«
Jehuda klopfte ihm freundschaftlich die Schulter und ging seinen vermessenen Weg weiter.
Viertes Kapitel
Doña Leonor, in Burgos, hatte die ersten Gerüchte über Alfonsos Liebeshandel nicht ernst genommen. Noch als feststand, daß Alfonso lange Wochen mit der Jüdin allein in La Galiana lebte, machte sie sich vor, es sei ein vorübergehendesAbenteuer. Wohl hatte Alfonso in den fünfzehn Jahren ihrer Ehe dann und wann eine Liebelei gehabt, doch immer war er sehr bald voll jungenhafter Befangenheit zu ihr zurückgekehrt. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß er sich ernsthaft sollte verliebt haben – und gar in diese Jüdin! Als er sie das erstemal sah, hatte er sich kaum um sie gekümmert, sie selber hatte ihn ermahnen müssen, ihr ein paar Höflichkeiten zu sagen. Vorwitzig war sie auch, die Jüdin, und sie kleidete sich fremdartig und übertrieben, lauter Dinge, die Alfonso abstoßen mußten.
Nein, Doña Leonor war nicht eifersüchtig. Drohend stand vor ihr die Geschichte ihrer Mutter Ellinor de Guienne, die den Vater, den engelländischen Heinrich, gequält hatte mit wilder Eifersucht und nun seit Jahren von ihm gefangengehalten wurde. Sie wird es ihr nicht nachtun. Alfonsos Liebschaft mit der Jüdin wird vorbeigehen wie seine früheren Abenteuer.
Wochen vergingen, Monate vergingen, Alfonso hielt fest an dieser Doña Raquel. Und mit einemmal nützte Leonor kein Klügeln und Vernünfteln mehr. Da hatte sie immer geglaubt, die schönen Versromane, welche ihre Schwester von Troyes ihr schickte und welche die fränkischen Ritter und Sänger ihr vortrugen, seien Phantasien. Sie hatte sich selber hineingeträumt in jene schönen, geistvollen Frauen, in diese Genièvre und Ysault, um derentwillen die herrlichsten Ritter, ein Lanzelot, ein Tristan, Ehre und Leben preisgaben. Und nun waren diese wilden, wahnsinnigen Geschichten nicht Einbildungen von Versemachern, sondern das Leben um sie herum. Waren die furchtbare Wirklichkeit ihres Mannes, ihres Ritters, ihres Liebsten, ihres Alfonso!
Zorn faßte sie gegen diesen Alfonso, der ihre Liebe, ihren damenhaft heitern Gleichmut, die Geburt des Infanten auf solche Art vergalt, und ein maßloser Haß gegen das Mädchen, die Jüdin, die Hure, die ihr den Mann, der durch eine christliche Ehe von fünfzehn Jahren ihr gehörte, auf gemeine Art wegbuhlte und wegstahl.
Doch sie durfte sich nicht hinreißen lassen wie die Mutter. Sie mußte klug sein, sie hatte zum Gegner den gescheitesten Mann des Reiches, den Ibn Esra, den sie selber, sie Närrin, sie unselige, hergerufen hatte.
Sie war klug. Sie zwang den Zorn nieder. Sie nahm nicht zur Kenntnis, was da geschah, verleugnete es, sogar vor ihren Vertrautesten. Der Erzbischof von Burgos, ein naher und ehrlicher Freund, kam bekümmert und hub an, von dem Übel zu reden. Sie setzte ihr Königinnengesicht auf und schaute ihn fremd, verständnislos an; der fromme Herr mußte ablassen.
Nein, Doña
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