Die Juedin von Toledo
Leonor wußte nichts von der Galiana, sie unternahm nichts gegen Alfonso, nichts gegen seine Liebste, sie beklagte sich vor niemand.
Wohl aber wechselte sie ihre Politik. Zur Verblüffung der Herren ihres Hofes erklärte sie plötzlich die Neutralität Kastiliens für ruchlos und töricht. Jedermann sah, daß das Reich jetzt die Mittel hatte, teilzunehmen an dem Heiligen Krieg. Man mußte endlich den Feldzug beginnen.
Sie wußte: Alfonso wird aus seiner Besessenheit erwachen, sowie er zu Felde zieht; das war sicher wie das Amen in der Kirche.
Und sie wird es erreichen, daß er zu Felde zieht. Sie wird die Allianz mit Aragon erreichen. Sie lächelte tief und böse. Diesen Vorteil wenigstens brachte die närrische Leidenschaft Alfonsos, daß man Don Pedro wird umstimmen können. Der mußte jetzt einsehen, daß Alfonso von jähen, verrückten Anwandlungen heimgesucht wurde; mußte jene unselige Kränkung als Handlung eines zeitweise Wahnsinnigen vergessen und vergeben.
Sie schickte Don Pedro ein vertrauliches Schreiben und gab ihm in damenhaften und dennoch zärtlichen Wendungen zu verstehen, sie sehne sich nach seinem Besuch. Den Brief ließ sie durch Don Luís bestellen, den Sekretär ihres Freundes, des Erzbischofs von Burgos.
Den jungen König hatte das Liebesabenteuer Alfonsos erschüttert. Bei all seinem Haß sah er in ihm noch immer denSpiegel des Rittertums, und Alfonsos rücksichtslose Leidenschaft schien ihm dafür ein neuer Beweis. Wie ein Lanzelot, ein Tristan alles für ihre Dame opferten, so setzte dieser Alfonso seinen Ritter- und Königsnamen aufs Spiel um der Frau willen, für die er entflammte. Daß diese Frau eine Jüdin war, gab dem Abenteuer sein besonderes, dunkles Geleuchte. Viele wilde Erzählungen gingen um von Rittern, die sich im Morgenland in moslemische Frauen verliebt hatten. Don Pedro spürte Schauder vor dem königlichen Vetter, der sein Christentum verleugnete und seine Seele verspielte, und gleichzeitig Bewunderung vor seinem Wagemut.
Von solchen Gefühlen hin und her gerissen, las er Doña Leonors Schreiben. Im Geist hörte er ihre Stimme, er sah die liebenswerte Dame vor sich, er fühlte tiefes Mitleid mit der edeln Frau, die gekettet war an den mit Tollheit geschlagenen, vom Teufel besessenen Alfonso. Sie war die Dame in Not, es war seine Pflicht, ihr beizustehen.
Überdies hatte auch ihn von Beginn des Kreuzzuges an seine Untätigkeit heiß gequält. Er hatte gerüstet, um über das moslemische Valencia herzufallen; ja, er hatte dem Emir von Valencia Gesandte geschickt, die, sich auf alte Verträge berufend, auf freche Art Tribut von ihm forderten, und Don Joseph Ibn Esra hatte schwere Mühe gehabt, die Beziehungen zu dem Emir wieder einzulenken. Der Minister mußte immer neue Listen anwenden, seinen ungebärdigen Herrn in dem »schimpflichen« Frieden festzuhalten.
Die Botschaft Doña Leonors fand also einen bereitwilligen Don Pedro. Aber er brachte es nicht über sich, nach Burgos zu kommen und als erster um Versöhnung zu bitten. In Burgos hatte man das vorhergesehen, und Doña Leonors Gesandter, der fromme und listenreiche Sekretär Don Luís, schlug einen Ausweg vor. Stand es in dieser schweren Zeit einem christlichen König nicht an, zum Santiago de Compostela zu wallfahren? Wenn Don Pedro auf einer solchen Pilgerfahrt über Burgos reist, wird Doña Leonor glücklich sein.
Don Pedro reiste über Burgos.
Befriedigt sah Doña Leonor, daß der junge Herr sie noch ebenso ritterlich verschwärmt bewunderte wie früher. Er sprach ein paar ungeschickte Worte über ihre Not. Sie wollte ihn nicht verstehen, verbarg aber nicht ihren Kummer. Ihn bedeutsam anschauend, meinte sie, wenn er durch eine Allianz mit Kastilien den hispanischen Reichen den Kreuzzug ermögliche, erweise er nicht nur aller Christenheit einen Dienst, sondern auch ihr, Leonor, persönlich; denn er befreie dadurch einen großen Fürsten und Herrn, dem sie sehr nahestehe, aus den Klauen der bösen Geister und helfe ihm, sein früheres, edles Selbst zu werden. Er saß befangen da, spielte mit seinem Handschuh, wußte nichts zu sagen. Sie begreife es, fuhr sie fort, wenn Don Pedro Bedenken trage, mit einem Manne, von dem er sich beleidigt glaube, ein Bündnis einzugehen. Aber vielleicht lasse sich Alfonso bewegen, Pedros Mißtrauen durch Taten zu zerstreuen.
Wie sie erwartete, fragte Don Pedro, was für Taten denn das sein könnten. Sie hatte sich aber einen Plan ausgedacht. Alfonso, meinte sie, könnte etwa
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