Die Juedin von Toledo
mischten, fuhr er Jehuda barsch an: »Sollen wir weitere Monate, vielleicht Jahre verhandeln, weil ihr euch nicht einigen könnt, du und dein Vetter?« Und: »Was schlägst du vor?« fragte er grob.
Jehuda, der die Antwort auf eine solche Frage durchgedacht hatte, erwiderte. »Der Handel ist schwierig und eine billige Lösung hart zu finden. Wie wäre es, wenn man einen unparteiischen Schiedsrichter von unbestreitbarem Ansehen anriefe?« Niemand wußte, wohinaus der Jude wollte. Der Erzbischof indes rief plötzlich begeistert: »Ja! Wenden wir uns an den Heiligen Vater! Der Kardinallegat ist ohnehin auf dem Wege.« – »In diesen sehr weltlichen Fragen«, wandte bescheiden der Jude ein, »sollte vielleicht eine weltliche Autorität entscheiden. Die Fürsten könnten den erlauchten Vater der Frau Königin um einen Schiedsspruch angehen. Es ist eine heikle Aufgabe, aber der Herr König von Engelland wird in Ansehung des Heiligen Krieges und des Gottesfriedens schwerlich ablehnen.«
Der Vorschlag Jehudas schien Hand und Fuß zu haben. König Heinrich war verwandt mit dem Hause Aragon und mit dem Hause Kastilien, er kannte genau die Verhältnisse, er war berühmt um seiner Staatsklugheit willen, von ihm war ein billiges Urteil zu erwarten. Trotzdem waren, da der Vorschlag von Jehuda kam, alle mißtrauisch.
Doña Leonor war sicher: was der Jude da vorbrachte, hatte mit seinen wahren, verzwickten und tückischen Überlegungen so wenig zu tun wie die gekräuselte Oberfläche des Meeres mit seinem ewig stillen Grund. Schnell und argwöhnisch versuchte sie, seine wirkliche Absicht zu entdecken. Ihr Vater Heinrich, der seine eigene Teilnahme am Kreuzzug immer weiter hinausschob, begriff bestimmt die Vorteile, die Hispanien aus der Neutralität zog. Auch erwog er bestimmt, daß die spanischen Könige, wenn sie den frommen Krieg gegen ihre Moslems begännen, ihn um militärische Hilfe angehen würden, und er war kein Mann, der gerne gab. König Heinrichhatte also keine Ursache, eine Versöhnung Kastiliens mit Aragon zu beschleunigen, er wird sich vielmehr lang und länger bedenken und seinen Schiedsspruch schließlich so halten, daß er niemand befriedigt. Es war eine böse List, die sich der Jude ausgedacht hatte. In rasender Schnelligkeit überlegte sie, wie sie seinen Plan vereiteln könnte. Sie wird nach Saragossa reisen und Don Pedro bereden, sich von seinem Juden nicht beschwatzen zu lassen. Sie wird ihrem Vater in einem vertraulichen Schreiben ihre ganze Not dartun und ihn anflehen, seinen Spruch zu beschleunigen. Aber ach, die Majestät von Engelland hatte ja selber so manche unheilige Leidenschaft gespürt und genossen; wenn irgend jemand, dann hatte ihr Vater Heinrich Verständnis für die wüsten Freuden und Sorgen Alfonsos. Voll von Bitterkeit sah Leonor ein, daß sie gegen die Schlauheit des Ibn Esra nicht aufkam.
Auch Alfonso mit seiner raschen Vernunft durchschaute seinen Don Jehuda. Es war so, wie er’s von Anfang an geargwöhnt hatte: der Jude wollte den Heiligen Krieg hintertreiben, schon um der Flüchtlinge willen, die er ins Land zog. Aber er soll sich verrechnet haben, dachte Alfonso. Ich werde nicht mit Pedro um den Kleinkram herumfeilschen. Ich werde nicht Vater Heinrich anrufen, daß er mir zuzwinkert: Gönnen wir dem Jungen sein Bettspiel und Vergnügen. Ich werde mich von dem Juden nicht hereinlegen lassen. Ich werde nicht die Liebe Raquels bezahlen mit faulem Verhandeln und Verhindern.
So fühlte und dachte Alfonso in der kurzen Stummheit, die der Rede des Juden folgte.
Dann, vor sich selber erschauernd, hörte er sich sagen: »Was meinst du, Doña Leonor, und ihr, Herren? Mir scheint, da hat unser Escrivano einen guten Ausweg gefunden. Schwerlich gibt es in aller Christenheit für einen so verflochtenen Handel einen besseren Richter als den weisen und erlauchten Vater Unserer Königin. Ich denke, Don Jehuda, wir werden es machen, wie du es vorschlägst.«
Fünftes Kapitel
Um sicherzugehen, setzte Jehuda seinem Geschäftsfreund Aaron von Lincoln, dem Finanzberater König Heinrichs von Engelland, in einem vertraulichen Schreiben auseinander, worum es sich bei den Zwistigkeiten der beiden hispanischen Könige handelte, und bat ihn um seine Hilfe.
Dann, vor seiner Rückkehr nach Toledo, schickte er, wie es guter Anstand erforderte, der Königin Geschenke. Unverschämt kostbare Geschenke, edle Parfums, einen großen, elfenbeinernen Toilettekasten mit Kämmen, Haarfibeln und Schminken, dazu eine
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