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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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beste Sehenswürdigkeit in nächster Nähe.« Und diese Worte Rabbi Benjamíns, der unabhängig war und keine Ursache hatte zu schmeicheln, durchrieselten Jehuda warm, und daß sie in Gegenwart seines Freundes Musa gesprochen wurden, erhöhte seine Freude.
    Er fühlte sich jetzt als ein Oker Harim, als ein Mann, der Berge entwurzeln konnte, und scheute sich nicht, seine Macht bedenkenlos zu gebrauchen. Er traf, da der König länger in Burgos blieb, als man erwartet hatte, selbstherrlich gefährliche Verfügungen. Zum Ärger der feindlichen Prälaten und Barone betraute er mehrere der fränkischen Flüchtlinge mit einträglichen Posten; einen gewissen Nathan aus Nemours, der früher schon Kastilien bereist hatte, ernannte er zum Baile, zum Vogt von Zurita.
    Das Purimfest kam heran, der Tag, an welchem die Juden die Errettung aus schwerster Not durch die Königin Esther feierten. Es hatte nämlich der Bösewicht Haman, der Günstling des Königs Ahasver, sämtliche Juden der Stadt Susa unddes persischen Reiches ausrotten wollen, weil der Jude Mardochai seine Eitelkeit verletzt hatte. Des Mardochai Nichte und Mündel aber, das Mädchen Hadassa, genannt Esther, hatte Gnade gefunden in den Augen des Königs, er hatte sie zu seiner Königin gemacht, und angeleitet von ihrem Oheim Mardochai, unternahm sie es, die Pläne des Haman zu vereiteln. Wiewohl bei Strafe des Todes niemand ungerufen vor das Angesicht des Herrschers treten durfte, trat sie vor Ahasver hin und bat für ihr Volk. Und der König, gerührt von ihrer Schönheit und Klugheit, senkte das Zepter, begnadigte sie und ihr Volk und gab den Bösewicht Haman in die Hand der Juden. Die aber hängten ihn an eben den Galgen, an den er Mardochai hatte hängen wollen, sie hängten auch seine zehn Söhne und erschlugen alle ihre Feinde in den hundertsiebenundzwanzig Ländern, welche dem König Ahasver untertan waren.
    Es gibt im jüdischen Festkalender Tage, die an größere Ereignisse erinnern, aber keinen feiern die rechtgläubigen Juden mit so ausgelassener Freude wie diesen Gedächtnistag. Sie halten üppige Festmähler, schicken einander Geschenke, spenden reichlich den Armen, veranstalten Schaustellungen, Tänze und Glücksspiele. Vor allem aber verlesen sie mit Gesten des Triumphs und mit lustigem Lärm das Buch, in welchem die Ereignisse dieser wunderbaren Errettung aufgezeichnet sind, das Buch Esther.
    Auch Don Jehuda, der festfreudige, versammelte in diesen Tagen in seinem Castillo viele Gäste, um mit ihnen die farbige Geschichte des Buches Esther zu hören, mit ihnen zu essen und zu trinken, Spiele anzuschauen und sich an gescheiten und närrischen Reden zu ergötzen.
    Stattgefunden haben mochten die märchenhaften Ereignisse, von denen das Buch Esther berichtet, um 3400 nach Erschaffung der Welt, man zählte jetzt das Jahr 4950, und Jahr um Jahr hatten sich Zehntausende, Hunderttausende von Juden an der Geschichte erbaut. Aber in all dieser Zeit hatten wohl nur wenige eine so stolze Freude daran gehabtwie jetzt Don Jehuda. Die Prüfungen und die Siege Mardochais und Esthers waren die seinen und die seiner Raquel. Wer konnte so innig wie er mitspüren den Mut und die Todesnot der Esther, da sie vor den König tritt? Wer wie er mitgenießen den Herzensjubel des Mardochai, da ihn der Feind Haman auf dem Rosse des Königs durch die Stadt führen muß, ausrufend: »So geschieht dem Manne, den der König ehren will!«? Und als man am Ende des Buches angelangt war, da der König den Mardochai zu seinem Siegelbewahrer macht, spürte Jehuda voll von Triumph das Wappensiegel auf seiner Brust und schaute befriedigt auf die drei fränkischen Flüchtlinge, die er zur Feier dieses Tages in sein Haus geladen hatte.
    Die Studenten der Jeschiwa, der Bibel- und Talmudschule, unter ihnen Don Benjamín Bar Abba, parodierten jetzt, wie es der Brauch dieses Tages war, ihre Lehrer und fragten einander allerlei spitzfindige Fragen.
    Der junge Don Benjamín fand, Mardochai und Esther hätten bei all ihren Verdiensten zwei Sünden auf sich geladen. Zum ersten waren sie ohne Mitleid. »Am Passah-Feste«, sagte er, »nehmen wir aus dem Becher der Freude zehn Tropfen Weines fort, weil wir der Qualen unserer Feinde gedenken. Mardochai und Esther aber hängten mit ungeschmälertem Jubel den Haman und seine Söhne und erschlugen mit ungemischtem Triumph alle ihre Gegner.« Die andern widersprachen heftig. Haman war von so abgründiger Bosheit, daß es auch dem Frömmsten ungeteilte

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