Die Juedin von Toledo
verpflichtete sich, den Rat Don Alfonsos mit der Aufmerksamkeit anzuhören, die der jüngere Ritter dem älteren schulde. »Anzuhören?« fragte Don Alfonso. »Anzuhören«, bestätigte Don Manrique. »Eine deutlichere Formulierung habt ihr nicht durchsetzen können?« fragte Alfonso. »Nein«, antwortete Doña Leonor.
Niemand sprach. »Welche weiteren Klauseln sieht der Vertrag vor?« fragte der König. Aragon stelle, erklärte Don Manrique, drei Hauptbedingungen. Zum ersten solle Kastilien auf die Lehnsherrschaft über Aragon verzichten. Wiewohl Alfonso von dieser Bedingung wußte, konnte er einen Laut des Unmuts nicht unterdrücken. »Zum zweiten«, fuhr Manrique fort, »verlangt Aragon, daß die Ansprüche seines VasallenGutierre de Castro auf Wiedergutmachung erfüllt werden.« Von dieser Forderung hatte man Alfonso nicht gesprochen. Er richtete sich halb hoch und schaute von Manrique auf Leonor. »Ich soll dem Castro Buße zahlen?« fragte er leise, gefährlich. »Von Buße ist nicht die Rede«, beschwichtigte Manrique. »Das Wort Buße ist vermieden.« – »Er weiß meine Notlage auszunützen, dieser Fant Pedro«, sagte bitter der König. »Er steckt sich hinter den Castro, um mich zu demütigen. Und Rom schickt seinen Kardinal, daß er Zeuge meiner Schande sei.« – »Es ist keine Schande«, sagte freundlich mit ihrer hellen Stimme Doña Leonor, »Opfer zu bringen, um den Heiligen Krieg zu ermöglichen. Eine Schande wäre es, wenn wir den Kardinal unverrichteterdinge zurückschickten. Dann würde, und mit Recht, die ganze Christenheit dem tatenlosen Don Alfonso ihr Hui und Pfui nachrufen.«
Die Herren saßen erschreckt. Schlaff hingen von ihren Stangen die Banner Kastiliens und Toledos. Blaß, voll maßlosen Zornes, starrte Alfonso auf Doña Leonor. Mit keinem Worte hatte sie ihm, solange sie mit ihm allein war, die Galiana vorgeworfen; kalt und rechenhaft hatte sie bis zu diesem Kronrat gewartet, um ihm hier vor seinen Räten, vor seinen nächsten Freunden, vor seinen Fahnen ins Gesicht zu schmeißen, was sie Schimpfliches von ihm dachte, hier, jetzt, ausgeklügelt rachsüchtig, in Wahrheit ihrer wilden Mutter Kind.
Aber Doña Leonor senkte nicht die großen, grünen Augen vor dem gewittrigen Schein, der von ihm ausging, nicht einmal das leise, unbestimmte Lächeln wich von ihrem stillen Gesicht. Mit Mühe zwang er seinen Zorn nieder. Er konnte nicht vor seinen Herren mit ihr hadern, und er wußte, da war niemand, der ihm recht gab – nicht einmal der Jude.
»Welche Buße verlangt der Castro von mir?« fragte er heiser. An Stelle Manriques antwortete Doña Leonor. »Die Forderungen sind peinlich«, sagte sie, »doch im Grunde nicht unbillig. Wir sollen ihm das verlangte Lösegeld zahlen für die Gefangenen von Cuenca, und wir sollen ihm sein Castillo inToledo zurückgeben.« Wiederum war tiefes Schweigen, man hörte nur das starke Atmen Don Alfonsos. Es war vielleicht nicht ziemlich, aber alle schauten, gierig fast, auf Don Jehuda.
Der Erzbischof – er saß dem Juden so fern wie möglich und hatte ihn auch nicht begrüßt – nahm jetzt das Wort, seine Stimme hallte in dem weiten Raum wider. »Er tritt deiner Ehre sehr nahe, Herr König«, sagte er, »aber der Heilige Krieg wird viele Erniedrigungen fortwischen.«
Doña Leonor wandte sich freundlich an Jehuda. »Was ist dein Rat, Herr Escrivano?« fragte sie. »Mich dünkt«, antwortete Jehuda, »der rebellische Baron mutet der Majestät des Königs sehr viel zu. Aber ich bin nicht bewandert in Dingen der Ehre, und der hochwürdige Herr Erzbischof versichert, daß das große Ziel des Heiligen Krieges die Demütigung wert ist. Was mich selber anlangt, so verliere ich nur mit Schmerz das Haus meiner Väter, das ich durch die Gnade Gottes und die des Herrn Königs und um einen zureichenden Preis zurückerwarb und das meinem Herzen große Freude ist. Aber meine eigenen Wünsche und Eitelkeiten und meine Würde müssen wohl zurückstehen, wenn es um das hohe Ziel des Königs Unseres Herrn geht. Bereitwillig, Herr König, gebe ich, wenn dadurch die Allianz und der Kreuzzug ermöglicht wird, das Castillo Ibn Esra in deine Hände zurück mit allem, was ich zugebaut und eingebaut habe, und zur Hälfte des Preises, den ich deinem Schatze zahlte.« Er hatte diese Rede gut vorbereitet, doch konnte er ein leises Lispeln nicht verhindern.
Keiner hatte erwartet, daß der Mann seinen kostbarsten Besitz so kurzerhand aufgeben werde. Alfonso schaute erstaunt auf
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