Die Juedin von Toledo
nachsehen, wenn ich nicht grausam bin zu dieser liebsten Frau.«
Später tadelte sich Rodrigue, daß er sich gefügt hatte. Aber ach, er hatte Don Alfonso so gut verstanden. Alfonso liebte Raquel, und sang nicht Virgil, der Frömmste unter den Heiden, der dem Christentum Nächste, von der Magie der Liebe? Wie sie Sinne und Seele verzaubert, die Freiheit der Entschließung raubt und den Menschen mit übermenschlicher Kunst bindet? Und Doña Raquel war der Liebe wert, sie war schön, das Volk hatte recht, sie war La Fermosa, ihre Schönheit rührte sogar ihn, Rodrigue, und weckte ein frommes Gefühl in ihm. Er wollte den König nicht verteidigen, auch vor sich selber nicht. Aber wenn Gott diese Frau diesem Manne in den Weg schickte, dann vielleicht nur, um ihn härter zu prüfen als andere und strahlender zu erlösen.
Wenn Alfonso an die Unterredung mit seinem Beichtvater dachte, spürte er Scham und Reue. In der gleichen Stunde, da der väterliche Priester und Freund ihm seine Lügen vorhielt, hatte er ihn neu und stärker belogen. Er hatte getan, als stehe der Feldzug unmittelbar bevor, und daraus das Recht hergeleitet, noch die kurze Zeit zu sündigen. Und er wußte doch, der Feldzug stand nicht unmittelbar bevor. Er selbst half mit, ihn hinauszuschieben.
Die gleichen wirtschaftlichen Streitfragen nämlich, die der Allianz im Wege gestanden hatten, behinderten jetzt den Vertrag über das Heiratsgut der Infantin Berengaria und damit den Abschluß der Allianz. Don Joseph in Saragossa hatte immer neue Fragen und Rückfragen, ebenso König Heinrich von Engelland, und bald war dies nicht geklärt, bald jenes nicht. Alfonso wußte genau, es war Jehuda, der alle Schwierigkeiten heraufbeschwor, und er spielte den Zornigen und Ungeduldigen, aber er wollte, daß Jehuda Einwände erhob, er forderte sie heraus. Sie durchschauten einander, jeder der beiden wußte um des andern geheime Wünsche, aber sie gestanden sich’s nicht ein, sie spielten ein umständliches, augenzwinkerndes Spiel, eine stumme Verschwörung warzwischen ihnen, sie wurden Spießgesellen, der König und sein Escrivano.
Dabei war Don Alfonso eifersüchtig auf den Juden, weil Raquel an ihm hing, und Jehuda eifersüchtig auf Alfonso, weil Raquel ihn liebte. Und Jehuda spähte in den Zügen Raquels und freute sich, daß sie Ähnlichkeit hatten mit den seinen, und Alfonso spähte in den Zügen Raquels und entdeckte mit Grimm Züge ihres Vaters. Aber beide spielten ihr seltsames Spiel weiter, beflissen, nicht ohne einen kleinen, grimmigen Spaß. Beide, selbst unter vier Augen, taten, als betrieben sie eifrigst das Verlöbnis und die Allianz, und beide machten sie immer wieder zunichte, was sie geschäftig aufbauten.
Als Don Martín gewahr wurde, wie der König nach wie vor einen großen Teil seiner Zeit in der Galiana verbrachte und wie er mittels verächtlicher Mätzchen den Heiligen Krieg abermals hinausschob, brach seine Empörung offen aus. Er predigte gegen den König, der auf den Rat jüdischer Betrüger höre, der Christen dem Urteil und Gutdünken von Beschnittenen unterstelle und auf diese Art Gottes Kirche bedrücke und des Satans Synagoge fördere. Ein großer, tugendhafter Schriftsteller der Alten habe gesagt: »Sicut titulis primi fuere, sic et vitiis – Wie die Ersten an Rang, so waren sie es auch an Lastern.« So geschehe es jetzt in dem betrübten Kastilien. Und er predigte von dem König Salomo, der sich von seinen Huren zur Abgötterei hatte verführen lassen.
Überall im Land taten es die Geistlichen dem Erzbischof nach. Öffentlich erklärten sie, der Jude habe, ein rechter Botschafter der Hölle, aus dem Saladins-Zehnten das Zauberschloß La Galiana gebaut und seine Tochter hineingesetzt, damit die den König behexe. Einen Sturmvogel des Satans nannten sie Raquel.
Die Kastilier fühlten sich genarrt. Ihr König hatte sie um die Segnungen des Heiligen Krieges betrogen. Die Studenten sangen Spottlieder auf Don Alfonso, nannten ihn den equitem ad fornacem – den Ritter Ofenhocker, fragten, wann ersich wohl werde beschneiden lassen. Das Land war bestürzt, empört.
Trotz des heiligen Zornes aber waren manche froh, daß es mit dem Krieg nun doch seine Weile haben werde. »Ein gekochtes Ei im Frieden ist besser als ein gebratener Ochs im Krieg«, führten sie wohl das alte Sprichwort an. Allein Kastilien war ein gottesfürchtiges Land, und das Verharren im Frieden war nicht wohlgefällig in den Augen Gottes, und auch diejenigen, die damit
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