Die Juedin von Toledo
sie trage den Fürsten des Friedens, den Messias. Doch sprach sie niemand davon.
Die Amme Sa’ad betreute sie und sagte ihr, was sie essen dürfe und was nicht, und wann sie ruhen müsse und wann sich bewegen. Raquel machte ein freundliches Gesicht, aber sie hörte kaum hin. Sie merkte, daß der höchst servile Belardo ihren Rücken mit bösartigen Blicken betrachtete, dochfürchtete sie nicht seinen bösen Blick. Sie war geborgen in der Ruhe ihres Glückes. Sie dachte an ihre Freundin Layla in Sevilla, die gesagt hatte: »Du Arme«, und sie lachte hellauf.
Sie las in den Psalmen. Da war ein Lied, das ihr mehr ans Herz ging als die andern; sie verstand nicht alle die großen, verschollenen Worte, aber sie reimte sich den Sinn zusammen. »Laß den König Lust an deiner Schönheit haben«, hieß es da, »er ist ja dein Herr. Tyrus wird dir Gaben senden, große Völker dir huldigen. Prächtig einher geht des Königs Braut, in Korallen, Edelgestein und Gold. Du Glückliche! Deine Söhne werden Fürsten im Lande sein, deinen Namen kündet Geschlecht auf Geschlecht, Nationen preisen dich in Ewigkeit.«
Und Raquel war stolz wie ihr Vater.
Oft, wenn Alfonso Raquel beschaute, überkam ihn eine fast schmerzhafte Zärtlichkeit. Ihr Gesicht war wieder hagerer geworden, es schien ihm kindlicher und dennoch wissender, ihre Bewegungen waren seltsam weich; die weiten Kleider verbargen die Rundung ihres Leibes. Sichtlich war sie frei von jeder Angst; zuweilen schien ihm, es strahle ein wildes Glück von ihr aus.
Es war ihm leid, daß seine Geschäfte ihn immer wieder von ihr fortrissen. Einmal sagte er ihr: daß er sie viel allein lasse, geschehe nicht, weil er sie zuwenig liebe. »Im Gegenteil«, versicherte er.
Auf dem Weg in die Königsburg dachte er nach, was er mit diesem »im Gegenteil« habe sagen wollen. Ganz klar mit einemmal wurde ihm, daß er, um länger seiner Sünde zu frönen, heimlich immer von neuem das heilige Werk zunichte machte, das er geschäftig vor der Welt betrieb. Sehr deutlich sah er das üble Komplott, welches er mit Jehuda zettelte. Der Papst hatte recht. Er hatte ein Bündnis mit dem Satan geschlossen, um den Heiligen Krieg zu verhindern. Er spürte, wie seine Seele verrottete.
Er kannte das Heilmittel. Er wird Raquel zum wahren Glauben bekehren. Wenn es sein muß, mit Gewalt. Jetzt, sogleich,vor ihrer Entbindung. Sie soll Christin sein, wenn sie ihm sein Kind gebiert. Er will es.
Als er indes in der Galiana zurück war, sah er, wie zart die schwangere Frau war und daß nur die Sicherheit ihres Glückes ihr Stärke gab, und er brachte es nicht über sich, ein Gespräch zu führen, das sie gefährden konnte.
Unverrichteterdinge kehrte er zurück in die Trägheit seines Glückes.
Wie früher waren sie den ganzen Tag müßig und den ganzen Tag beschäftigt. Wieder erzählte ihm Raquel Märchen, und er staunte, wie leicht ihr die Worte zuflossen und wie sich ihr die Geschichten ineinanderschlangen und wie sie fabulierte und an ihre Fabeln glaubte und ihn daran glauben machte.
Ja, Raquel war beredt. Sie vermochte Worte zu finden für alles, was sie bewegte.
Nicht für alles. Sie konnte Alfonso nicht sagen, wie sehr sie ihn liebte, niemand konnte das, nur die alten Lieder des Großen Buches. Und sie sprach ihm vor die klingenden, jauchzenden, brünstigen Verse des Hohenliedes. Sie versuchte, sie ihm zu übersetzen in ihr Arabisch und in sein niedriges Latein und in ihrer beider Geheimsprache. So konnte sie ihm sagen, wie sehr sie ihn liebte. Auch die dunklen Verse jenes Psalms sprach sie ihm vor, welche die Schönheit der Königsbraut und den Glanz und die Glorie des Königs überschwenglich verkündeten. Er aber war hoch verwundert, daß diese alten hebräischen Könige noch stolzer waren als die ritterlichen der Christenheit.
Dann, eines Morgens, in einer jähen Anwandlung, nahm er sich ein Herz und bat sie, endlich doch die letzte Schranke einzureißen, die sie von ihm trenne, und den wahren Glauben anzunehmen, so daß sie ihm als Christin einen christlichen Sohn gebäre. Raquel schaute ihn groß an, mehr verwundert als klagend oder empört. Still, doch entschieden sagte sie: »Ich werde das nicht tun, Alfonso, und sprich mir nicht wieder davon.«
Den Tag darauf zeigte sie Alfonso die drei Bilder, welche Don Benjamín von ihr gemacht hatte. Er schaute die Zeichnungen an, lange, bemüht. Raquel erzählte ihm, es habe Mut dazu gehört, daß Don Benjamín sie gezeichnet habe; Bilder zu machen,
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