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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sie gingen durch den Garten. Sie war ganz anders, diese Frau, als er sie in der Erinnerung hatte, viel schöner, und wie hatte er sich einbilden können, an ihr sei ein Hexenhaftes?
    Die Dämmerung kam, vergessen war der Tod des Infanten, vergessen der Heilige Krieg. Die Nacht fiel ein, es war eine selige Nacht.
    Sie frühstückten zusammen, wie sie es früher getan hatten. Aber jetzt war er einsilbig. Er mußte sprechen, er durfte es nicht länger hinausschieben, jede Minute Aufschub war töricht, war sündhaft.
    Sie schwatzte unbefangen von kleinen Ereignissen der Zwischenzeit. Da hatte Onkel Musa ein langes und ein breites von den Baulichkeiten in Burgos gesprochen. Er hatte erklärt, er fühle sich in moslemischen Städten und Häusern wohl: aber Stil habe auch die simple, ragende Kahlheit der christlichen Städte und Burgen. Sie habe Größe.
    Was Raquel da und wie sie es sagte, verdroß Alfonso. Wach wurde ihm die Erinnerung an Burgos, an die Krankheit des Kindes und an die Raserei Doña Leonors; auch an sein erstes Gespräch mit Raquel mußte er denken, wie sie ihm sein Schloß in Burgos schlechtgemacht hatte. Es überkam ihn die trotzige Stimmung seiner Ankunft, und rauh und böse sagte er: »Da ist ihm eine Wahrheit aufgegangen, deinem Musa. Man wird der moslemischen Pracht schnell überdrüssig.Auch ich habe die Galiana satt. In ein paar Wochen bin ich im Feld. Die Galiana betrete ich nicht wieder.«
    Sie sah ihn an, als habe sie ihn nicht verstanden. Dann fiel sie ohnmächtig hintenüber. Er hockte da, blöde. Er war darauf gefaßt gewesen, ihren Jammer abzuweisen und ihr in derben, kräftigen Worten auseinanderzusetzen, daß es so sein mußte. Jetzt kam er sich wie ein Lümmel vor, nicht wie ein Ritter. Er hatte Freunde sterben sehen und ein Vaterunser gebetet und weitergekämpft; vor dieser Ohnmächtigen stand er hilflos. Er nahm sie in die Arme, streichelte sie, drückte sie sacht, feuchtete ihr die Stirn.
    Nach einer Ewigkeit schlug sie die Augen auf. Fand sich nicht zurecht. Fand sich zurecht. »Verzeih, daß ich so schwach bin«, sagte sie. »Ich habe ja gewußt, daß es nicht ewig dauern kann, und man hat mir gesagt, was in Burgos geschehen ist, die Amme Sa’ad hat’s mir gesagt, und ich hätte es wissen sollen, und ich hätte dich nicht an Burgos erinnern sollen. Verzeih, daß es mich umgeworfen hat. Aber ich bin jetzt empfindlich, weil ich schwanger bin.«
    Er starrte sie an, den Mund töricht halb offen. Dann lachte er, eine ungeheure, schmetternde, glückliche Lache. »Das ist ja großartig!« jubelte er. »Ich bin wahrhaftig ein Sohn des Glücks.« Er lief herum, stampfte, machte Tanzschritte, nahm sie in die Arme, drückte sie wild. »Nur gut«, sagte er, »daß ich nicht in Rüstung bin. Sonst würde ich deine arme Brust ganz wund reiben.«
    Er dachte: Da bin ich dieser holdesten Frau rauh und grob gekommen wie ein Bauer. Und hab doch gewußt, daß ich lüge, noch während ich sprach. Diese verlassen!
    Dergleichen sagte er auch. Er hielt sie und redete auf sie ein, er stammelte kastilisch und arabisch durcheinander, er klagte sich stürmisch an, schwatzte Wirres, sinnlos Verliebtes.
    Er dachte: Ich bin wahrhaftig ein Lieblingskind Gottes. Er spielt mit mir wie ein Vater mit seinem kleinen Sohn. Er neckt mich mit schalkhafter Bosheit und bereitet mir dann um sogrößere Freude. Er hat mir damals den dümmsten Krieg auf den Hals geschickt – und dann den alten Onkel Raimundez aufs Herz geschlagen. Er hat mir den kleinen Enrique genommen – und gibt mir jetzt einen Sohn von dieser Frau, der sehr geliebten, der einzig geliebten. Ich hab es für Strafe gehalten, und es war Gnade.
    Er mußte sich zurückhalten, Raquel nicht auch das zu sagen. So glücklich stolze Dinge durfte ein König denken, aber sie sagen durfte auch ein König nicht.
    Er dachte an das Versprechen, das er Doña Leonor gegeben hatte. Es galt nicht mehr. Unter diesen Umständen galt es nicht. Daß ihm Raquel jetzt einen Sohn gebären wird, bedeutete, daß Gott ihm verziehen hatte und mit ihm einverstanden war. Er dachte: Der König hat die innere Stimme, und nur auf die darf er hören. Gott will nicht, daß ich jetzt schon ins Feld soll, das spür ich deutlich. Ich werde ins Feld ziehen, aber ich muß warten, bis Gott mir die rechte Zeit sagt.
    Er dachte: Diese verlassen! Eher sterb ich tausend Tode! Er war ungeheuer beglückt. Und ungeheuer beglückt war sie.
    Und das Leben in der Galiana ging weiter wie vorher.
    Kardinal

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