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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gregor von Sant’ Angelo, der Sondergesandte, überbrachte dem König ein Handschreiben des Heiligen Vaters. Der Papst erinnerte seinen lieben Sohn, den König von Kastilien, an jenen Beschluß des Lateranischen Konzils, der es den Fürsten der Christenheit verbot, Juden Macht über Christen anzuvertrauen, und ermahnte ihn mit väterlicher Strenge, den berüchtigten Ibn Esra endlich seines Amtes zu entkleiden. Wenn nicht der Satan die erlauchten Fürsten Hispaniens, schrieb der Papst, durch die Ränke ihrer jüdischen Minister immer neu entzweite, dann hätten sie sich längst geeinigt.
    Alfonso argwöhnte, daß hinter diesem Schreiben Doña Leonor stecke oder der Erzbischof. Aber er wurde nicht zornig, er fühlte sich leicht und überlegen. Er hatte seine innereStimme, und sie befahl ihm: »Schick den Juden noch nicht weg. Vielleicht später einmal.«
    Ehrerbietig antwortete er dem Kardinal, es bedrücke ihn, daß er sich so lange eines Ratgebers bediene, der dem Heiligen Vater mißfällig sei. Aber erst die Hilfe dieses Ibn Esra habe ihn instand gesetzt, den Kreuzzug gegen die Moslems zu rüsten. Sowie er Siege errungen habe und also die Künste des Juden nicht mehr benötige, werde er, wie es einem treuen Sohne zieme, dem Willen des Heiligen Vaters gehorchen.
    Kardinal Gregor, ein großer Redner, predigte in der Kathedrale. Vor Jahrhunderten schon, lange vor der übrigen Christenheit, hätten die Bewohner dieser Halbinsel den Krieg gegen die Moslems aufgenommen. Der Satan aber habe Zwist gesät zwischen die Könige, so daß sie ihre Schwerter gegeneinander brauchten statt gegen den gemeinen Feind der Christenheit. Nun aber habe der Allmächtige ihre Herzen erschüttert, und nun werde Hispanien seinen alten Kampf gegen die Ungläubigen mit neuer Inbrunst aufnehmen. Gott will es!
    Die Kastilier, durch den Tod des kleinen Infanten darauf vorbereitet, daß der Krieg nun endlich beginnen werde, ließen sich die Predigt des Kardinals ins Innere dringen. Die erhabene Allgegenwart der Kirche hatte ihnen von Kindheit an die Vergänglichkeit des Diesseits ins Bewußtsein getrieben; jetzt verlor das Irdische vollends seinen Wert vor der Seligkeit des Ewigen, das sich so nah und wirklich vor ihnen auftat. Denn wer an dem Feldzug teilnahm, war aller Sünde ledig; er wird entweder rein wie ein Kind zurückkehren oder, selbst wenn ihm Gefangenschaft oder Tod bestimmt sein sollten, sichern Lohn im Himmel finden. Auch diejenigen, welche die Fülle und Behaglichkeit der guten letzten Jahre genossen und gewürdigt hatten, trauerten nicht um den bevorstehenden Verlust dieser Güter, sondern suchten sich das Unvermeidliche schmackhaft zu machen, indem sie sich die größeren Freuden des Paradieses vorstellten.
    Waffenfähige Männer suchten ihren Besitz loszuwerden;man konnte kleine Güter, Werkstätten und dergleichen billig erstehen. Dafür stieg im Preis, was immer man für einen Kriegszug benötigte; Waffenschmiede, Lederhändler, Reliquienhändler hatten gute Zeit. Der Gärtner Belardo holte das Koller und die Kappe seines Großvaters hervor und rieb das Leder mit Öl und Fett ein.
    Den Erzbischof Don Martín belebte die greifbare Nähe des Krieges. Ständig nun unter dem geistlichen Gewand trug er sichtbar die Rüstung. Er vergaß seinen Zorn gegen Alfonso und die Galiana, er pries Gott, der den Sünder mit so kräftiger Hand auf den Weg ritterlicher Tugend zurückgeholt hatte.
    Da er sah, daß sein Rodrigue an dem Enthusiasmus der andern nicht teilzunehmen schien, redete er ihm freundschaftlich zu. Der Domherr gestand, daß sich in seine Lust an dem frommen Unternehmen immer wieder, wie ein Tropfen Blutes in einen Becher Wein, der Gedanke mische an die vielen Toten, welche der Krieg nun auch der Halbinsel abfordern werde. Don Martín hielt ihm entgegen, Gott habe den Menschen nun einmal zu Streit und Kampf geschaffen. »Wohl hat er ihm«, führte er aus, »die Herrschaft verliehen über alles Getier, er hat es aber so gefügt, daß sich der Mensch diese Herrschaft erst hat erkämpfen müssen. Oder glaubst du, daß sich der wilde Stier ohne Kampf vor den Pflug hat spannen lassen? Sicher hat Gott noch heute Wohlgefallen an dem Ritter, der den Stier bekämpft. Mir ist, ich bekenne es gerne, von allen Sätzen, die der Heiland sprach, am liebsten jener, den Matthäus überliefert: ›Wähnet nicht, daß ich gekommen sei, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.‹« Er

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