Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
im Grunde einverstanden waren, zeigten ihre Genugtuung nur in der Sicherheit ihrer Wände. Auf der Straße und in den Schenken ersehnten sie nach wie vor den Heiligen Krieg und wünschten, daß Gott den verblendeten Don Alfonso erleuchten möge. Das ganze Land nahm teil an dem Heuchelspiel des Königs und seines Juden.
    Der Pfarrer eines kleinen Ortes kam zu Don Rodrigue und fragte ihn um Rat. Einer aus seiner Gemeinde, ein Seiler, ein tüchtiger, frommer Mann, hatte ihn gefragt: »In diesem letzten Jahr hat der Herr mein Geschäft fett gemacht und gesegnet, und ich habe beinahe zwei Goldmaravedí zurückgelegt; warum schickt er mich gerade jetzt gegen die Ungläubigen ins Feld und macht mir meine gute Werkstatt wieder hin?«
    Der Domherr hatte die ganze Verlogenheit Don Alfonsos durchschaut, aber in all seiner Entrüstung war er froh, daß der Friede erhalten blieb; er war also genauso sündig wie der Seiler. Diese Einsicht brachte ihn um seinen Gleichmut, und er antwortete dem Pfarrer, wie es geistreich leichtfertiger sein Freund Musa nicht hätte tun können. Er erzählte ihm eine Geschichte von dem heiligen Augustin. Den fragte einmal einer: »Womit hat sich Gott wohl beschäftigt, bevor er Himmel und Erde schuf?« Augustin aber erwiderte: »Da hat er die Hölle erschaffen, um Leute hinzuschicken, die solche Fragen stellen.«
    Die Kunde von Raquels Schwangerschaft steigerte die Empörung der feindseligen Granden und Prälaten. Das Volk aber nahm die Nachricht gutmütig auf. Die Leute hatten sich damit abgefunden, daß vorläufig Friede blieb, es war ihnenrecht, daß der Friede jetzt nun sicher bis zur Entbindung der Barragana, des Kebsweibes, dauern würde und daß sie sich nicht von neuem umstellen mußten. Sie sprachen gerührt und zärtlich von der schwangeren Raquel und hatten jetzt auch schmunzelndes Verständnis für die menschlichen Schwächen Don Alfonsos. Sie gönnten dem ritterlichen König einen Sohn von der Schönen, sie sahen in Raquels Schwangerschaft ein freundliches Zeichen Gottes, der dem gesalbten Herrscher, bevor er in den Krieg zog, Ersatz schenken wollte für den toten Sohn.
    Das hatte die Schöne gut gemacht. Die Amulette, welche sie an den Toren der Galiana hatte anbringen lassen, waren offenbar ein kräftiger Zauber. Und manch einer suchte sich ein solches Amulett, eine Mesusa, zu verschaffen.
    Prälaten und Barone waren ergrimmt über so viel sündige Torheit. Gerüchte kamen auf von übeln Vorzeichen. Es hieß, Raquel habe, als sie mit dem König im Tajo angelte, einen Totenkopf gefischt; man wollte das vom Gärtner der Galiana gehört haben.
    Aber auch dieses Gerede verfing nicht und beeinträchtigte nicht die zärtliche Anteilnahme der Kastilier an dem von Gott gesegneten Liebeshandel des edeln Alfonso und der Fermosa. Den Bemühungen des Erzbischofs zum Trotz wurde Doña Raquel nicht der »Sturmvogel des Satans«, sie blieb »Die Schöne«.
Sechstes Kapitel
    Alfonsos schwieriges Geschäft, die Allianz zu fördern und gleichzeitig zu sabotieren, zwang ihn, viel Zeit in Toledo zu verbringen, und Doña Raquel war oft allein. Aber sie ahnte, daß es ihrethalb geschah, wenn Alfonso in seiner Burg mit ihrem Vater verwickelte Pläne spann, und ihre Einsamkeit war frei von jener brennenden Sehnsucht, die sie früher gequält hatte.
    Oft ging sie ins Castillo Ibn Esra. Dort setzte sie sich gern in einen Winkel im Arbeitszimmer des Musa, bat ihn, sie nicht zu beachten, und schaute zu, wie er, mit seinen Gedanken beschäftigt, hin und her ging oder an seinem Pulte schrieb oder in seinen Büchern las.
    Wenn in diesen letzten Wochen der Domherr die Gegenwart Raquels mied, so stellte sich um so häufiger der junge Don Benjamín ein. Daß die Frau, die ihm teuer war, diese Ibn Esra, Prinzessin aus dem Hause David, dem König von Kastilien ein Kind trug, gab ihm viel zu denken und erregte ihn. Er hatte Angst um sie, er sah die Kämpfe voraus, die um sie und um ihr Kind geführt werden würden, und es trieb ihn, sie für diesen Kampf zu stärken.
    Wenn er aber jetzt von der Erhabenheit des jüdischen Glaubens sprach, dann zwang er sich nicht mehr – wie damals in der Gegenwart des Domherrn – zu wissenschaftlicher Gelassenheit; vielmehr durchwärmte er mit eigenem Gefühl die Sätze, mit welchen die jüdischen Gelehrten und Dichter zu erweisen suchten, daß die Weltanschauung Israels der Weisheit der Heiden und der Botschaft des Jesus von Nazareth überlegen sei. Während nämlich die Erkenntnis des

Weitere Kostenlose Bücher