Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
verstoße gegen das Gebot des Mose ebenso wie gegen das Gebot des Mohammed. Nun sah es Alfonso nicht gern, daß sich Raquel mit diesem Don Benjamín abgab, er nahm an, Benjamín bestärke sie in ihrer Verstocktheit. »Wenn ihm das Zeichnen verboten ist«, sagte er unwirsch, »dann soll er’s doch lassen. Ich mag keine Ketzer. Meine Untertanen sollen die Gesetze ihrer Religion halten.« Raquel war verblüfft. Verlangte er nicht von ihr die schlimmste Ketzerei? Daß sie ihren Glauben abschwöre? Er merkte ihr Staunen. »Es muß Leute geben«, setzte er ihr auseinander, »welche die Gesetze machen; das sind die Könige und die Priester. Die Untern haben nicht an den Gesetzen herumzudeuteln, sie haben sie zu befolgen.«
    Aber als sie die Zeichnungen zurücknehmen wollte, bat er: »Laß sie mir noch.« Und als er allein war, beschaute er die Bilder von neuem, lange, kopfschüttelnd. Was er sah, war seine Raquel und trotzdem eine andere. Er entdeckte an ihr Züge, die er nie gesehen hatte; dabei kannte er sie doch besser, als irgendwer sonst sie kennen konnte. Aber sie war unerschöpflich an Schönheit und vielfältig von Wesen wie Wolken am Himmel und die Wellen des Tajo.
    Moslemische Musikanten waren nach Toledo gekommen. Man hatte Bedenken getragen, sie jetzt in währendem Kreuzzug ins Land zu lassen, doch Alfonso hatte leichtsinnig erklärt, das werde ja nun vor dem großen Krieg das letztemal sein, daß man sich an der Kunst moslemischer Sänger erfreuen könne. Da waren sie also, und diejenigen, die auf Bildung und verfeinerte Sitten hielten, ließen sie in ihren Häusern singen und spielen.
    Alfonso ließ sie in die Galiana kommen. Es waren zwei Männer und zwei junge Mädchen; die Männer, wie die meisten Musikanten, waren blind, weil die Frauen in der Langeweile des Harems Musik nicht entbehren wollten und sich imHarem vor Männern nicht zeigen durften. Die Spielleute hatten Guitarre, Flöte, Laute und eine Art Klavier, das Kánun. Sie sangen und spielten, langsame, eintönige und dennoch aufreizende Weisen. Zuerst sangen sie Heldenlieder, darunter jenes uralte vom Cid Compeador; der im moslemischen Andalús lebende Jude Aben-Alfanche hatte es gedichtet zum Lob des feindlichen Ritters. Später sangen sie die neuen Weisen, die jetzt in Granada, Córdova und Sevilla umgingen. Sie sangen von der Schönheit dieser Städte, von ihren Gärten, ihren Brunnen, ihren Mädchen, ihren Rittern. Die Amme Sa’ad konnte sich nicht halten, sie weinte. Auch Raquel verspürte Sehnsucht nach Sevilla; doch war es eine linde Sehnsucht, sie störte nicht das Glück der Galiana, sie erhöhte es.
    Zuletzt sangen die blinden Sänger noch Romanzen und Balladen, welche von Geschehnissen des Gestern und des Heute erzählten; sie hatten aber die Farbe des Märchens, genommen war ihnen der genaue Umriß der Zeit, sie hätten sich vor fünfhundert Jahren so gut ereignen können wie jetzt. Sie sangen auch eine Romanze, die handelte von einem ungläubigen König, einem Christen, der sich in eine andere Ungläubige verliebt, eine Jüdin indes, und der in seinem Schlosse Tage, Monate, Jahre mit ihr verlebt, er in seinem Unglauben und sie in dem ihren, und wird Allah es fügen, daß das glücklich ausgeht? Die Blinden sangen mit Gefühl, das eine Mädchen rührte ihre Laute, das andere schlug ihr Kánun. Raquel hörte zu, sie lächelte, sie war gewiß, Allah wird es zum guten Ende führen. Alfonso spürte eine leise Befangenheit, aber er lachte sie fort.
    Die jüdischen Flüchtlinge aus Francien waren nun, fast alle die sechstausend, angesiedelt und fügten sich ein in das Leben und Weben des Landes. Die Haßreden der Prälaten und Barone verklangen in dem fröhlichen Lärm des allgemeinen Wohlstandes.
    Dieser allgemeine Wohlstand machte auch Jehudas »Glückstopf«, die Lotterie, deren Plan ihm das Buch Esther eingegebenhatte, zu einem märchenhaften Erfolg. Man kaufte ein Los für wenige Sueldos und konnte zehn Goldmaravedí gewinnen. Alle spielten, die Granden, die Bürger, die hörigen Bauersleute. Sie freuten sich und hielten es für ihr persönliches Verdienst, wenn sie gewannen; und wenn sie verloren, hatten sie wochenlang in einer glücklichen Spannung gelebt und hofften auf das nächste Mal.
    Auch Jehudas Geschäfte mit dem Ausland blühten, wie er sich’s schöner nicht wünschen konnte, und sein Name hatte Klang von London bis Bagdad.
    Erschien also Jehuda der Welt und sich selber als ein Oker Harim, als ein Mann, der Berge versetzen

Weitere Kostenlose Bücher