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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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zufrieden. Sie fürchtete, Eifersucht oder falsch verstandene Ritterpflichtkönne Alfonso oder Pedro verleiten, sich über den Vertrag hinwegzusetzen; ein solcher Pakt war schließlich nur Tinte auf Tierhaut, das Blut, das durchs menschliche Herz floß, war stärker. So berief sie denn die beiden Könige und deren Frauen vor sich und erläuterte an Hand des umständlich aufgezeichneten Kriegsplanes in einer kurzen, herzhaften Ansprache, was Alfonso und was Pedro tun und was sie lassen müßten. Dann fiel sie aus dem Feierlichen ins Gemütliche und meinte, schelmisch mit dem Finger drohend: »Ich weiß schon, ihr gönnt einer dem andern immer noch allerlei Ungemach. Aber solche Launen könnt ihr euch nicht leisten in diesem großen und wichtigen Krieg. Wenn er aus ist, dann ärgert einander wieder nach Herzenslust. Vorläufig ärgert mir die Moslems.« Und, wieder sehr königlich, schloß sie: »Ich beschwöre euch, reißet allen Groll aus euren Herzen mit der Wurzel, so wie der Stier das Gras mit der Wurzel ausrauft.«
    Alfonso stand verlegenen, grimmigen Gesichtes; auch Don Pedro schien befangen. Plötzlich aber, in die Stille hinein, sagte mit ihrer harten, noch kindlichen Stimme Berengaria: »Wir verstehen dich, Frau Großmutter und Königin. Entweder sind die beiden Fürsten, mein Herr Vater und mein Herr Gemahl, völlig und von Herzen einig, oder sie werden von den Heiden geschlagen. Tertium non datur – Ein Drittes gibt es nicht.«
    »Du hast es begriffen, kleine Enkelin«, sagte Ellinor. »Und jetzt«, wandte sie sich an die Könige, »in Gegenwart von uns drei Frauen, küsset euch brüderlich und schwört auf das Evangelium, daß ihr es halten werdet, wie ihr’s unterschrieben und gesiegelt habt.«
    Am Tage, bevor die Versammlung auseinandergehen und ein jeder seine Straße ziehen sollte, feierte man Abschied im Castillo von Burgos.
    An diesem Tage erfüllte Bertran de Born eine Bitte, die er bisher geflissentlich überhört hatte. Er sang selber sein Liedzum Preise des Krieges, das Lied vom Sterben in der Schlacht, das berühmte Lied: »Be’m platz lo gais temps de Pascor.«
    Er sang:
    »Der süße Lenz gefällt mir wohl,
    Wenn Blatt und Blüte neu entspringt;
    Es freut mich, höre ich den Chor
    Der Vögel, deren Lied verjüngt
    Erschallet in den Wäldern.
    Mehr aber freut’s mich, seh ich weit
    Gezelte an Gezelt gereiht
    Und ringsum auf den Feldern
    Ritter und Roß zum nahen Streit
    Bewaffnet stehen und bereit.
    Mich freut’s auch, wenn die Plänkler nahn
    Und furchtsam Mensch und Herde flieht
    Und dann statt ihrer auf den Plan
    Ein rauschend Heer von Kriegern zieht.«
    Die alte Königin Ellinor, der Bertran einmal nahegestanden war, hörte mit heiterer Rührung zu, wie der alte Mann die wilden, grimmig fröhlichen Verse sang. Schon damals, da er sich, ein halber Knabe noch, ungestüm an sie heranmachte, hatte er sie fast ebenso erheitert wie gerührt. Er war der gleiche geblieben, der liebe Bertran, eine einmalige Mischung von Mut, Frechheit und Dichtergabe. Er hatte sein Leben lang nein gesagt zu jeder Niederlage und war sichtlich noch jetzt entschlossen, zu kämpfen und zu singen und nicht aufzugeben, eh ihm der Tod die Schulter klopfte – genauso wie sie selber nicht aufgeben wird.
    Sang Bertran:
    »Es ist mir Augenweide,
    Wenn man ein festes Schloß berennt,
    Die Mauer klafft, das Pfahlwerk brennt.
    Auch hab ich meine Freude dran,
    Wenn auf der weiten Heide
    Die wackern Reiter sprengen an.
    Es rinnt das Blut, es bricht der Speer,
    Und Lanz und Schwert sind Splitter.
    Die Rosse rennen wild umher,
    Gefallen sind die Ritter.
    Macht kein Gewese davon her.
    Solch Sterben ist nicht bitter
    Besser, wer tot vorm Feinde liegt,
    Als wer entläuft und lebt, besiegt.«
    Das rote Gesicht des Erzbischofs Don Martín rötete sich noch tiefer, er atmete stark, er bewegte die Lippen, die Verse leise mitsprechend. Der junge Alazar starrte verzückt auf den Sänger, seine Augen rissen Bertran jedes Wort von den Lippen. Bisher hatte Alazar von der Herrlichkeit des Krieges nur geträumt: jetzt sah er, hörte er, fühlte er sie mit jeder Faser. Dieser Ritter Bertran sprach aus, was Alazar durch die Brust ging, seitdem er in Kastilien war. Aus dem Munde dieses Mannes klirrte der Krieg. Was dieser Ritter Bertran sang, dafür lebte er, Alazar.
    Sang Bertran:
    »Nicht Speis noch Trank, nicht Schlaf noch Weib
    Ist mir solch süßer Zeitvertreib,
    Als wenn ich’s höre schallen:
    A lor! A lor! Schlagt drauf! Haut ein!
    Und

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