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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gegenteil, sein Bleiben gefährdete sie nur, sie und alle Judenheit. Aber das werden sie nicht wahrhaben wollen. Sie werden, wenn er sich fortmachte, jeden Schimpf auf seinen Namen häufen. Der Mann der großen Sendung, werden sie höhnen, der Wohltäter Israels, Jehuda Ibn Esra, sei davongelaufen, als er einstehen sollte für sein Wort und sein Werk. Und er wird als Feigling und Verräter dastehen für alle Zukunft.
    In den Sinn kam ihm ein Satz des Mose Ben Maimon: in jedem Juden sei etwas von einem Propheten, und dieses Prophetische in der Seele zu fördern, sei Pflicht. In ihm haftengeblieben, ihm schmeichelnd, waren die Worte des Ephraim, er habe viel für die Juden getan in Großheit des Herzens. Nein, er wird das Prophetische in seinem Herzen nicht ersticken, er wird nicht trachten, seiner Sendung davonzulaufen. Er wird in Toledo bleiben.
    Er mühte sich, aufrichtig zu ergründen, was ihn denn nun, gegen die Vernunft, am Orte der Gefahr zurückhielt. War es Angst vor den Gefahren der Flucht? War es Liebe zu Raquel, welche die Trennung von Alfonso nicht überstehen würde? War es Ehrgeiz und Hoffart, weil er den Namen Ibn Esra nicht beflecken wollte? War es Treue zu seiner Sendung? Alles das war in ihm, er konnte seine Gründe nicht auseinanderflechten.
    Inmitten der Zweifel und Sorgen wuchs ihm ein Entschluß. Sich selber helfen konnte er nicht, auch Raquel konnte er nicht helfen. Wohl aber dem Enkelsohn.
    Er hat geschworen, den Enkel nicht zum Juden zu machen, und er wird den wahnwitzigen, abscheulichen Schwur halten. Doch kein Gelübde zwingt ihn, das Kind hier in Toledo zu lassen. Nun er ins Feld zieht, wird Alfonso darauf bestehen, den Knaben vorher zu taufen; die Rücksicht auf Raquel wird ihn nicht länger abhalten. Er, Jehuda, mußte das Kind fortschaffen, bevor der König in Toledo zurück war.
    Raquel verbrachte die meiste Zeit in der Galiana.
    Es war ihr bekannt, daß in den nächsten Wochen der große, furchtbare Krieg ausbrechen mußte, aber sie fürchtete sich nicht. Seitdem Gott ihr das glückhafte Geschenk ihres Immanuel gemacht hatte, war sie voll einer tiefen Sicherheit, warm und geschützt in der Hand Adonais oder, wie Onkel Musa es nannte, im Mantel des Schicksals.
    Sie sehnte sich nach Alfonso, doch nicht mit der fieberigen, aus Jubel in Verzweiflung und wieder in Jubel umschlagenden Sehnsucht wie früher. Vielmehr war sie aus eben jenem tiefen Vertrauen heraus gewiß, daß er aus seiner Ritterwelt immer wieder zu ihr zurückkehren werde. Was ihn rief, war nicht nur die ungemessene Lust, die sie einander gaben, es war noch ein anderes: er liebte die Mutter seines Sohnes, sein Sancho wurde auch ihm zum Immanuel, sie wuchsen, Raquel und Alfonso, einander zu.
    Oftmals schaute sie minutenlang reglos, selig hingegeben, in das zarte, längliche Gesicht ihres Söhnchens, ihres Immanuel, des Messias. Sie hatte nur ein vages Bild des Messias, eine undeutliche Vorstellung von etwas Hohem, Hellem, und sie hatte keine leise Ahnung, auf welche Art dieser ihr kleiner Sohn der Welt das Heil bringen sollte; aber sie wußte: er wird es bringen. Doch hielt sie dieses Wissen auch weiter in ihrer Brust; es erschien ihr lästerlich, davon zu reden.
    Nicht einmal mit Don Benjamín sprach sie davon, wiewohl sich ihre Freundschaft vertieft hatte. Es war eine Freundschaft ohne viele Worte. Er las ihr aus einem Buch vor, oder sie gingen still die Wege des Gartens entlang.
    Den Sabbat verbrachte Raquel nach wie vor bei ihrem Vater im Castillo.
    Einmal nach dem Ausgang eines solchen Sabbats – der Geruch der Gewürze und der im Wein gelöschten Kerze war noch in der Luft – fragte Jehuda die Tochter: »Wie geht es deinem Sohn, meinem Enkel?« Er hatte den Enkel nie gesehen, die Galiana nie betreten. Raquel wußte, wie sehr er sich nach dem Anblick des Knaben sehnte, aber sie hatte Scheu, Immanuel aus der Galiana wegzubringen. Wiewohl er ihr gehörte, wäre sie Alfonso zu nahe getreten, wenn sie das Kind, und sei es nur auf eine Stunde, ohne seine Zustimmung weggebracht hätte.
    Leise, behutsam, doch nicht ohne glücklichen Stolz, denn sie fürchtete und hoffte, der Vater werde sie nach ihrem heimlichsten Wissen fragen, antwortete sie: »Immanuel ist gesund und gedeiht herrlich in der Gnade Gottes.« Jehuda, mühsam, er mußte alle Kraft zusammennehmen für diese Unterredung, sagte: »Er wird der Gnade Gottes sehr bedürfen, dein Sohn, mein Enkel, in der nächsten Zeit.« Und da Raquel verwundert hochsah, setzte er

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