Die Juedin von Toledo
Niederlage aufgehetzt ist, hier in Kastilien geschehen?
Don Ephraim stellte sich bei Jehuda ein. Berichtete, der Graf de Alcalá habe sich an ihn gewandt um ein Darlehen auf seine Güter, er habe ihn aber abgewiesen. »Er ist verschuldet«, führte Ephraim aus, »er verschwendet, vermutlich wird ihn der Krieg vollends aufzehren, und die Güter werden dem Gläubiger billig zufallen. Trotzdem habe ich’s abgelehnt, Alcalá zu beleihen; denn ein Jude, der aus den Nöten eines Kreuzfahrers Vorteil zieht, schafft sich und aller Judenheit Feinde. Ich nehme an, der Graf wird sich jetzt an dich wenden.« – »Ich danke dir für Mitteilung und Rat«, sagte unverbindlich Jehuda.
Eine zweite, wichtigere Mitteilung hatte Don Ephraim. Die Aljama hatte beschlossen, dem König ein Hilfskorps von dreitausend Mann zu stellen.
Jehuda fühlte sich grausam gedemütigt. So nackt und verloren war er schon, daß die Aljama in dieser dringlichsten Not Entschlüsse traf, ohne ihn zu befragen. »Glaubst du, so könnt ihr euch retten?« höhnte er. »Denk an das, was in Engelland geschehen ist.« – »Wir betrauern es, und wir haben es bedacht«, antwortete Don Ephraim. »Gerade darum wollen wir tun, was in unserer Macht steht, König Alfonso – Gott schütze ihn – zum Sieg zu verhelfen. Überdies hatten wir immer geplant, und du selber hast es dem König versprochen, ihm ein Hilfskorps zu stellen.« – »Ich an eurer Stelle«, erwiderte Don Jehuda, »hätte Geld gegeben, Routiers zu werben. Vielleicht auch, zum Zeichen eures guten Willens, hättet ihr zwei- oder dreihundert Mann aus den eigenen Reihen stellen können. Aber die Masse der kräftigen, waffengeübten Männer der Aljama hättet ihr besser zurückbehalten. Ich fürchte, ihr werdet sie nötig haben«, schloß er voll Bitterkeit.
»Ich begreife, daß du so denkst«, entgegnete ruhig Ephraim. »Aber deine Lage, Don Jehuda, ist anders als die unsere, und auch ein so kluger Mann wie du hat es schwer, unter deinen Umständen unsere Situation unbefangen zu beurteilen.« Da er sah, wie schmerzhaft seine Worte den andern trafen, fuhr er nicht ohne Wärme fort: »Ich bin nicht dein Feind, Don Jehuda. Ich vergesse nicht, was alles du für uns getan hast in der Großheit deines Herzens. Wenn jetzt Tage kommen, da du unsere Hilfe brauchst, glaub es mir, wir sind bereit.« Jehuda, trocken, grimmig, antwortete: »Ich danke euch.«
Er ging, nachdem ihn Ephraim verlassen hatte, prüfend durch sein Haus. Beschaute die Kunstwerke, die Bücher, die Schriftrollen, nahm die eine, die andere heraus, betastete die Urschrift der Lebensdarstellung des Avicenna. Ging in den Saal seiner Schreiber. Nahm Briefe heraus, überlas sie. Man bot ihm in ehrerbietigen Wendungen Verträge an, Geschäfte, fragte um Rat; sichtlich hielt man ihn nach wie vor für den mächtigsten Mann der Halbinsel. Er überschlug die Aufstellungen seiner Repositarii, um zu errechnen, wie groß sein Vermögen sei. Die Kriegsrüstungen, die vielen Verkäufe und Beleihungen, die Gewinne aus neu ausgegebenem Geld hatten seinen Reichtum vermehrt. Er rechnete, überprüfte, rechnete von neuem. Es waren an die dreihundertfünfzigtausend Goldmaravedí, die er besaß. Er sprach die ungeheure Summe vor sich hin, langsam, arabisch, beinahe ungläubig. Aus seiner großen Schmucktruhe suchte er hervor die Brustplatte des Familiars, betastete sie. Schüttelte lächelnd den Kopf. Da stand er, ertrinkend in Schätzen, Ehren, Macht – es war die Tünche eines Grabes.
Mit heftiger Bewegung tat er das dunkle Geträume ab. Don Ephraim sollte ihn nicht zaghaft machen.
Er belieh die Güter des Grafen de Alcalá.
Allein die Worte des Párnas hatten sich tief in ihn eingesenkt. Es war so, wie Don Ephraim nüchtern festgestellt hatte: er, Jehuda Ibn Esra, war mehr bedroht als jeder andere. Wenn er vernünftig war, machte er sich so schnell wie möglichfort und rettete sich, Raquel und den Enkel in den Bereich der östlichen Moslems, den Bereich des Sultans Saladin, der den Juden freund war.
Raquel wird widerstreben, wird bei Alfonso bleiben wollen. Und wenn es ihm gelingen sollte, sie zu überreden, dann wird ihn Alfonso verfolgen lassen. Und wie sollten sich so auffällige Flüchtlinge durch die ganze feindliche, christliche Welt in den Osten durchschlagen?
Und durfte er auch nur den Versuch machen, sich und die Seinen zu retten? Durfte er die fränkischen Siedler hilflos in der Gefahr zurücklassen? Helfen freilich konnte er ihnen nicht; im
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