Die Juedin von Toledo
Schweigen war, als der Prinz geendet hatte. In das Schweigen hinein klang die helle Stimme Bertran de Borns. »Hat er frech dahergeredet, dieser da?« fragte er lateinisch.
Der kastilische Sekretär näherte sich ehrerbietig dem Throne, um mit dem Vortrag der Übersetzung zu beginnen. Alfonso aber winkte ihm ab, und: »Es ist nicht nötig, daß du übersetzest«, sagte er. »Ich habe jedes Wort verstanden, und ich werde dem Herrn so antworten, daß auch er jedes Wort versteht.« Und in langsamem Arabisch – grimmig fröhlich dachte er, Don Rodrigue werde sich wundern, wie gut sein Arabisch in der Galiana geworden sei – erwiderte er: »Sage deinem Herrn, dem Kalifen, folgendes: Nach dem Gutachten meiner Gelehrten ist mein Vertrag mit Sevilla nicht mehr gültig, schon seitdem der Sultan das Grab unseres Erlösersgeschändet und den Heiligen Vater gezwungen hat, den Heiligen Krieg auszurufen. Trotzdem habe ich den Waffenstillstand gehalten. Jetzt aber haben die frechen Worte deines Herrn das Siegel des Vertrags weggeschmolzen.«
Er stand auf. Jung, kühn, sehr fürstlich stand er da, und: »Bestelle dem Kalifen«, sagte er mit seiner hellen, unbekümmerten Stimme, »er soll herüberkommen ins Andalús auf seinen Schiffen und mit seinen Soldaten. Er wird auf dieser Halbinsel nicht gegen wilde Horden zu kämpfen haben wie gegen die Rebellen an seiner Ostgrenze. Die Männer, die ihm hier gegenüberstehen, sind geschulte Krieger des allmächtigen Gottes. Deus vult!« rief er, und der Erzbischof und die andern fielen mächtig ein.
Jetzt ging von Alfonsos hellen, grauen Augen jener gewitterige Schein aus, den viele fürchteten und den Doña Leonor so liebte. »Und nun mach dich fort!« schmetterte er den Prinzen Abul-Asbag an. »Das Recht des Gesandten schützt dich noch zwei Tage. Wenn du dann nicht über der Grenze bist, sieh dich vor. Sei froh, daß ich die Zunge nicht ausreißen lasse, die so dreiste Worte gesprochen hat!«
Der Gesandte war erbleicht, doch faßte er sich schnell. In würdigen Worten bat er, der Herr König möge geruhen, ihm seinen Bescheid schriftlich zu übergeben. Sonst würde der Beherrscher der Gläubigen annehmen, Allah habe ihm, dem Boten, den Sinn verwirrt. Alfonso, jungenhaft lachend, sagte: »Den Gefallen will ich dir tun.«
Er behielt aber, als die Versammlung sich auflöste, Don Jehuda zurück und befahl ihm: »Du schreibst den Brief, und in deinem besten Arabisch. Und daß du mir nichts sänftigst. Ich würde dir draufkommen. Du hast vielleicht gemerkt, mein Arabisch ist jetzt recht gut. Und du setzt dein Siegel neben das meine.«
Don Rodrigue lag auf seinem harten Bett in einer Mattigkeit und Trübsal, die ihm alle Kraft aus den Knochen sog. Er war schuld daran, daß Alfonso gleich einem ungebärdigen Kindalles zertrümmert hatte, was in Burgos mühevoll aufgebaut worden war. Wenn jetzt der Kalif mit ungeheurer Heeresmacht in Hispanien einfallen wird, war es seine, Rodrigues, Schuld. Er hätte es nicht Manrique allein überlassen dürfen, den König zur Vernunft zu mahnen, er hätte rechtzeitig alle Kraft zusammennehmen und selber sprechen müssen.
Es war nichts als Schwäche und Zagheit, was ihn gehindert hatte. Seitdem der Liebeshandel mit Raquel seinen Anfang nahm, hatte der Erzbischof ihm wieder und wieder vorgehalten, es fehle ihm jener wilde Unmut, jene saeva indignatio, die so oft aus den Worten der Propheten und der Kirchenväter töne. Don Martín tadelte ihn zu Recht. Sein, Rodrigues, Herz ließ sich beschwatzen von der ritterlichen, jugendlichen, königlichen Anmut Alfonsos; er hatte Verständnis, wo er nicht verstehen und verzeihen durfte. In den letzten Wochen gar hatte er noch tiefere Schuld auf sich geladen. Er hatte es in seinem Heimlichsten begrüßt, daß der König das Sündenleben in der Galiana wieder aufgenommen hatte; es werde sich dadurch, hatte er gehofft, der Beginn des Krieges trotz allem verzögern.
Mit heißer Inbrunst hatte er getrachtet, sich in jene Verzückung zu retten, die früher seine Zuflucht gewesen war. Hatte gefastet und sich kasteit. Hatte es sich verboten, ins Castillo Ibn Esra zu gehen, hatte sich die Gespräche mit dem weisen Freunde Musa versagt. Allein es war ihm keine Verzeihung geworden. Die Gnade blieb ihm versperrt. Die Tür in sein letztes Refugium war zugefallen.
Und jetzt, aus Schwäche, hatte er’s zugelassen, daß das Reich hineintrieb in den sinnlosen Krieg. Denn nur aus Zagheit hatte er verabsäumt, den König zu
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