Die Juedin von Toledo
hatte, stellte sich blind, tat, als sei er eines schnellen, sichern Sieges gewiß, wollte nicht wahrhaben, welch ungeheure Gefahr er über das Land gebracht hatte. Ungewohnt hart und streng fuhr der Domherr ihn an: »Du betrügst dich, König Alfonso. Dieser Krieg wäscht dir keine Sünde fort. Es ist kein Heiliger Krieg. Du hast ihn von Anfang an befleckt durch verbrecherischen Jähzorn und Hochmut.«
Alfonso sah den schwächlichen Leib des Priesters, seine weißen, zarten Hände, die niemals ein Schwert gezogen, nie einen Bogen gespannt hatten. Gepanzert aber in sein herrscherhaftes Selbstvertrauen, war er mehr verwundert als zornig über den erregten Rodrigue. »Dinge des Krieges und des Rittertums sind deine Sache nicht, mein Vater«, antwortete er freundlich, und er belehrte ihn liebenswürdig überlegen: »Siehst du, ich durfte es dem Beschnittenen nicht hingehen lassen, daß er mich in meiner eigenen Burg am Bart zupfte. Es war meine innere Stimme, die mich hieß, ihn zurechtzuweisen.«
»Innere Stimme!« erwiderte nicht laut, doch heftig der Domherr; die freche Sicherheit des Königs hatte ihm endlich jenen wilden Unmut erweckt, dessen Mangel ihm Don Martín so oft vorgeworfen hatte. »Innere Stimme! Wann immer du deinem verbrecherischen Hochmut die Zügel läßt, berufst du dich auf deine innere Stimme! Mach die Augen auf, und sieh auf das, was du getan hast. Der Kalif hat dich merken lassen, daß er dem Krieg fernbleiben will. Er hat dir die Hand geboten, du hast ihm hineingespuckt. Du hast die Armeen Afrikas, die zahllos sind wie der Sand am Meer, ins Land gerufen, aus schierer Eitelkeit und Vermessenheit. Die vier Reiterder Apokalypse hast du ins Land gerufen. Du hast gehandelt, als wäre der Kreuzzug nichts als ritterliches Spiel und Tournier. Du hast deinen Vertrag mit Aragon gebrochen, kaum daß er geschlossen war. Du hast ganz Hispanien an den Rand des Abgrunds gerissen.« Der magere Mann stand aufgerichtet, drohend, die stillen Augen schauten wild und klägerisch auf Alfonso.
Den machte der heilige Zorn des Priesters betreten. Doch schon nach einem Atemzug fand er zurück ins Gehege seiner Sicherheit. Sein heller Blick wich nicht dem zürnenden des andern. Er lächelte, er lachte, ein lautes, häßliches Lachen. Er höhnte: »Wo bleibt dein Gottvertrauen, Priester? Seit Hunderten von Jahren haben die Ungläubigen die Übermacht, und trotzdem hat uns Gott mehr und mehr von unserm Land zurückgegeben. Du tust, als wären wir eine Herde Schafe. Ich habe meine guten Festungen im Süden, ich habe meine Calatrava-Ritter. An die vierzigtausend Ritter hab ich, ohne Aragon. Willst du mir’s verbieten, den gleichen Mut zu zeigen wie meine Väter? Soll ich mich verstecken hinter Lügen und Listen, statt zu vertrauen auf mein gutes Schwert?«
Er stand da, frech, wild, ritterlich, und hinter seinem Gesicht sah der Domherr das des Bertran, der seine wüsten Lieder sang. »Lästere nicht!« rief er ihn an. »Du bist kein Ritter, der auf Abenteuer zieht, du bist der König von Kastilien. Deine Festungen! Bist du sicher, daß sie den Kriegsmaschinen des Kalifen standhalten? Deine vierzigtausend Ritter! Ich sage dir, ihrer die Mehrzahl wird erschlagen werden von den Horden der Moslems. Es wird Verwüstung sein, Brand und Gemetzel über deinem ganzen Land. Zusammenbruch wird sein. Und du bist der Schuldige. Du wirst Gott danken müssen, wenn er dir dein Toledo läßt.«
Die seherische Wildheit des Priesters schauerte Alfonso an. Er schwieg. Rodrigue aber fuhr fort: »Dein gutes Schwert! Vergiß nicht, daß es Gott ist, der den Königen ihr Schwert verleiht. Du tust, als wärest du der Herr über Krieg und Frieden. Vergiß nicht, daß dieser Krieg ausgerufen und erlaubt istnur als ein Krieg Gottes. Du bist in diesem Krieg nichts Besseres als dein letzter Troßbub: ein Knecht Gottes.«
Alfonso hatte das unheimliche Gefühl abgeschüttelt. Mit der alten, kühlen, leichtfertigen Hoffart antwortete er: »Und vergiß du nicht, Priester, daß Gott mich mit den Reichen Kastilien und Toledo belohnt hat. Gott ist mein Lehnsherr. Ich bin nicht sein Knecht, ich bin sein Vasall.«
Es hielt den König nicht länger in Toledo, die besorgten Gesichter seiner Herren und das zornig fromme Gerede des Don Rodrigue verdarben ihm die Freude an seiner ritterlichen Haltung vor dem Kalifen. Er beschloß, schon andern Tages nach dem Süden aufzubrechen. Seine Ordensritter in den Festungen Calatrava und Alarcos werden mehr Sinn und
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