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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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knabenhafte Anmut und Schalkheit wieder auf. »Dieses Mal«, sagte er, »mißtraust du mir zu Unrecht, mein ehrwürdiger Vater. Nicht fort will ich dich haben, ich will dich enger an mich binden. Aber wenn ich recht unterrichtet bin, erlauben es die Kirchengesetze nicht, daß ein Domherr ohne Zwischenstufe zum Erzbischof von Toledo aufsteigt.«
    Stürmisch und widerspruchsvoll jagten sich dem Rodrigue die Gedanken. Ihn wollte Alfonso zum Primas von Hispanien machen! Er war gut im Rate, doch von einer solchen Erhöhung hatte der bescheidene Mann niemals geträumt; es hatte ihn höchlich gewundert, daß damals Don Martín dergleichen befürchtet hatte. Fortan also sollte er nicht nur raten und meinen: er sollte verfügen über die reichsten Einkünfte des Landes, er sollte gewichtig mitentscheiden über Krieg und Frieden. Die Vorstellung betäubte ihn. Was da auf ihn niederging, war Segen und Gnade und schwerste Last.
    Alfonso sah Rodrigues bewegtes Gesicht, und halb scherzhaft, halb im Ernst sagte er: »Auf ein paar Monate freilichwirst du nach Sigüenza gehen müssen, und ich werde dich nicht sehen können. Der Heilige Vater ist ein harter Händler; so schnell krieg ich ihn nicht dazu, daß er dir das Pallium gibt. Aber ich will mir’s was kosten lassen, und am Ende werde ich es schaffen. Ich will dich zum zweiten Mann im Reich haben«, fuhr er fort mit knabenhaftem Eigensinn. »Du hast mir die hispanische Zeitrechnung abgeschafft, aber ich will dich zum Primas von Hispanien haben.«
    Musa, als er von der neuen Wendung erfuhr, war bestürzt. Rodrigue wird nach Sigüenza gehen. Wie soll er, Musa, der Moslem, der von vielen angefeindete, in Toledo weiterleben ohne den Schutz des Domherrn? Er wird unstet und flüchtig sein und freundlos, nicht das erstemal. Kahl und unwirtlich lag die letzte Strecke seines Lebens vor ihm.
    Allein der weise, menschenkundige Mann vergaß über der eigenen Bedrängnis nicht den Segen, den der Umschwung dem Domherrn brachte, und er fand Worte warmer Teilnahme. »Die vielerlei Geschäfte deines neuen Amtes«, sagte er, »werden dich schnell der Acedia entreißen, dem trübseligen Brüten dieser letzten Monate. Du wirst Entscheidungen treffen und Taten tun, die viele Schicksale bewegen. Und diese Arbeit«, fuhr er angeregt fort, »wird dich, hoffe ich, anspornen, auch deine Chronik wieder aufzunehmen. Ja, mein hochwürdiger Freund«, schloß er nachdenklich heiter, »wer Geschichte macht, wird bestimmt auch versucht sein, sie darzustellen.«
    Nun hatte sich in der Tat, kaum hatte der König ihm das Erzbistum angeboten, im Kopfe Rodrigues eine solche Versuchung geregt. Erst hatte sich Don Alfonso belastet mit dem bedächtigen Mahner Ephraim, jetzt machte er sich aus eigenem Antrieb abhängig von ihm, Rodrigue, dem unritterlichen, friedliebenden Manne. Nur ein Alfonso, der sich von innen her gewandelt hatte, konnte sich eine solche zwiefache Rute binden. Aus dieser Erkenntnis aber war dem Rodrigue eine kleine neue Zuversicht gewachsen und ein seliges Spürenund Ahnen, daß, all seiner trüben Klügelei zum Trotz, Sinn gewesen sein mochte in dem grauenvollen Geschehen dieses letzten Jahres. Allein er verwehrte sich’s, diesen Empfindungen nachzuhängen, er erlaubte ihnen nicht, sich zu klaren Gedankengängen zu verdichten, er wollte keine zweite Enttäuschung erleben.
    Geradezu hitzig erwiderte er dem Musa: »Auch nicht im entferntesten denke ich daran, meine Chronik wieder aufzunehmen. Ich habe all mein Material zerstört, du weißt es.« – »Deine Akademie kann dir Material binnen nicht zu langer Frist neu beschaffen«, antwortete gelassen Musa. »Auch aus meinem Material kann dir vieles dienlich sein. Ich stell es dir gerne zusammen. Leicht freilich«, fuhr er fort, erlöschenden Gesichtes, »wird es nicht sein, mit dir in Verbindung zu bleiben. Wer weiß, in welchem Erdenwinkel ich mich verbergen muß, wenn ich deinen Schutz nicht mehr habe.«
    Zuerst verstand ihn Rodrigue nicht. Dann ereiferte er sich: »Aber was hast du dir denn gedacht? Selbstverständlich kommst du mit nach Sigüenza.«
    Musa leuchtete auf. Seine moslemische Höflichkeit indes gebot ihm, Einwände zu machen. »Werde ich nicht«, sagte er, »im Bischofspalast von Sigüenza sehr befremdlich wirken? Die unter deinem Krummstab wohnen, werden sich wundern über den beschnittenen Hausgenossen.« – »Mögen sie!« antwortete kurz und grimmig Rodrigue.
    Musa, noch immer das breite, glückliche Lächeln über dem

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