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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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den Halbwüchsigen des fröhlichen Jugendtisches.
    Nach aufgehobener Tafel versammelte man sich im Innern der Burg. Die Wände entlang waren Estraden errichtet. Auf ihnen, hinter niedrigen Brüstungen, saßen die Damen, die Herren sprachen zu ihnen hinauf. Doña Raquel saß in der zweiten Reihe, oft verborgen durch die vor ihr Sitzenden. Don Garcerán machte den König auf sie aufmerksam. Auch andere seiner jungen Herren hatten ihm von der merkwürdigen, aufgeweckten Tochter seines Juden gesprochen, er war neugierig auf sie. Er stand, als Don Garcerán sie ihm zeigte, ziemlich weit entfernt von ihr, doch konnte er mit seinem scharfen Aug, und wiewohl er nur flüchtig hinblickte, ihre Züge genau erkennen. Das fleischlose, blaßbräunliche Gesicht mit den großen Augen, streng gerahmt von der breitflügeligen Mütze, sah kindlich aus, die Büste und der zarte Hals stiegen jung aus dem weitausgeschnittenen, pelzumrahmten Mieder. »Nun ja«, meinte Alfonso, »ganz hübsch.«
    Doña Leonor, eine gute Wirtin, hatte bemerkt, daß man Don Jehuda nicht mit jener Achtung behandelte, die dem Escrivano zukam. Sie bat ihn durch einen Pagen zu sich, stellte ihm die üblichen höflichen Fragen, wie er sich unterhaltenhabe und ob man es an nichts habe fehlen lassen, und forderte ihn auf, ihr seine Kinder vorzustellen.
    Doña Raquel schaute ihr mit unversteckter Neugier ins Gesicht, und es brachte Doña Leonor ein wenig auf, daß die Jüdin vor ihrer Königin so gar nicht befangen war. Auch waren die Spitzen ihres Mieders und der grüne Damast des Kleides zu kostbar für ein junges Mädchen. Allein Doña Leonor war die Wirtin, sie wahrte die Regeln der Courtoisie, sie blieb freundlich, ja, sie gab Don Alfonso zu verstehen, er möge den Kindern seines Ministers ein paar artige Worte sagen.
    Der Knabe Alazar errötete hoch, als der König ihn ansprach. Er sah in ihm den Spiegel heldischer Tugend. Ehrfürchtig und naiv fragte er, ob sich Don Alfonso selber an den Spielen beteiligen werde, und erzählte, er, Alazar, habe sich für den Wettbewerb im Armbrustschießen gemeldet. »Meine Armbrust hat Ibn Ichad mit eigener Hand gemacht, der berühmte Armbrustschnitzer von Sevilla«, sagte er stolz. »Du wirst sehen, Herr König, da haben es deine Herren nicht leicht.« Innerlich amüsiert erkannte Don Alfonso in dem Knaben den Sohn seines hochfahrenden Escrivanos.
    Nicht ganz so einfach verlief seine Unterhaltung mit Doña Raquel. Man wechselte, lateinisch, ein paar nichtssagende Eingangssätze. Sie beschaute ihn dabei mit ihren großen, blaugrauen Augen, ruhig prüfend, und auch ihm mißfiel ihre Unbefangenheit. Nach einem Thema suchend, fragte er: »Verstehst du, was meine Joglares da singen?« Es sangen aber die Joglares, seine Spielleute, kastilisch. Doña Raquel antwortete ehrlich und genau: »Vieles verstehe ich. Ganz freilich kann ich ihrem niedrigen Latein nicht folgen.« – »Niedriges Latein« war die übliche Bezeichnung der Volkssprache, und wahrscheinlich wollte die Fremde nichts Kränkendes sagen. Alfonso indes ließ die Sprache seines Landes nicht schlechtmachen und wies sie zurecht: »Wir nennen diese Sprache Kastilisch. Viele Hunderttausende guter Leute, fast alle meine Untertanen sprechen sie.« Kaum hatte er’s gesagt, kam es ihm unnötig streng und schulmeisterlich vor, und erbog ab: »Das Land Kastilien leitet übrigens seinen Namen hier von diesem Castillo ab. Von hier aus hat Graf Fernán González es erobert. Gefällt dir die Burg?« Und da Doña Raquel nach einer Antwort suchte, fügte er, jetzt auf arabisch, hinzu: »Sie ist sehr alt und voll von Erinnerungen.« Doña Raquel, gewohnt, herauszusagen, was ihr durch den Sinn ging, antwortete: »Da begreife ich, daß dir diese Burg gefällt, Herr König.« Das verstimmte Don Alfonso. Fand sie, daß einem das altberühmte Schloß nur gefallen konnte, wenn einen persönliche Beziehungen damit verknüpften? Er wollte etwas Maliziöses erwidern. Aber schließlich war diese Doña Raquel sein Gast, und es war nicht seine Sache, der Tochter des Juden Courtoisie beizubringen. Er sprach von anderm.
    Ohne das Eingreifen des Don Manrique hätte man den Judenjungen Don Alazar, wiewohl er der Sohn des Escrivanos war, schwerlich zum Wettbewerb im Armbrustschießen zugelassen. So aber durfte er teilnehmen und gewann den zweiten Preis. Der Freimut und das liebenswerte Ungestüm des Knaben, seine Freude über den Preis, seine Beschämung, daß es nur der zweite Preis war, der Stolz

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