Die Juedin von Toledo
Leonor. Sie war die große Dame, von welcher die Dichter sangen, die angebetete Schöne, für welche der Ritter in reiner Liebe brennt und die sich diese Liebe gütevoll gefallen läßt.
Doña Leonor beherzigte Don Alfonsos Meinung, man solle nichts überstürzen. Nur in allgemeinen, vagen Worten deutete sie an, daß sie und Don Alfonso eine noch engere Bindung mit dem Vetter von Aragon ins Auge gefaßt hätten. Aber sie gab sich vertraulich gespielinnenhaft und gleichzeitig leise mütterlich, und der schlanke, junge Prinz verstand sofort und errötete bis ins Haar. Nicht nur lockte ihn der Gedanke, dem älteren, erprobten Ritter so nahe verknüpft zu sein, zauberhaft auch aus der Zukunft leuchtete ihm die Kaiserkrone der Vereinigten Hispanischen Länder. Er küßte Doña Leonors Hand und antwortete: »Es gibt keinen Dichter, Dame, der Worte fände, mein Glück zu besingen.«
Im übrigen sprach man nichts von Regierungsgeschäften und nichts von den Beziehungen der Länder Kastilien und Aragon. Wohl aber sprach man von Don Pedros Aufnahme in die Ritterschaft. Er war siebzehn Jahre alt, das war die rechte Zeit, und es war ratsam, daß die Zeremonie vor der Krönung erfolge. Alfonso lud den Prinzen ein, zur Schwertleite in seine Stadt Burgos zu kommen. Er selber werde ihn dort zum Ritter schlagen unter Feierlichkeiten, wie sie den beiden größten Fürsten Spaniens anstünden.
Beglückt nahm Don Pedro die Einladung an.
Große Vorbereitungen wurden in Burgos getroffen. Don Alfonso entbot seinen ganzen Hof dorthin. Doña Leonor fand, man solle auch die Kinder des Escrivanos einladen; der König, ein wenig zögernd, fügte sich.
Jehuda, als der Herold die Einladung der drei Ibn Esras im Castillo bestellte, spürte Triumph. Stattlich, mit ansehnlichem Gefolge, reisten er und die Seinen nach Burgos.
Don Garcerán und ein junger Herr vom Hofe Doña Leonors machten sich eine Freude daraus, Doña Raquel und ihrem Bruder die uralte Stadt zu zeigen. Der Knabe Alazar, empfänglich für alles Rittertum, beschaute gierig die mannigfachen Erinnerungen an den Cid Compeador, sein Grabmal, seine Waffen, das Rüstzeug seines Pferdes.
Mehr noch begeisterten den Knaben die Vorbereitungen zu den Spielen. Schon waren die Wappenschilde der Ritter aufgehängt, die sich für das große Turnier gemeldet hatten. Auch ein Wettspiel im Armbrustschießen sollte stattfinden. Alazar, stolz auf seine herrliche moslemische Armbrust, beschloß sogleich, sich zu beteiligen. Mit kindlicher Bewunderung auch stand er vor dem Gehege, in welchem die Stiere für den großen Kampf verwahrt wurden.
Das Festmahl zu Ehren Don Pedros fand in der Königsburg statt, in jenem Castillo, von dem das Land Kastilien seinen Namen herleitete. Es war ein alter, kahler, strenger Bau. Man hatte die Böden dick mit Teppichen belegt und die Treppen mit Rosen bestreut. Die Wände waren mit Gobelins behangen, welche Kampf- und Jagdszenen darstellten; Doña Leonor hatte sie aus ihrer französischen Heimat kommen lassen. Doch konnten alle diese Anstrengungen dem ernsten Bau nur einen dünnen Anstrich von Heiterkeit geben.
In den Hauptsälen der Burg hatte man große Tafeln aufgestellt und viele kleine Tische, ebenso im Burghof. Der Prinz von Aragon hatte seinen Alfakim mitgebracht, Don Joseph Ibn Esra, und ihn und Don Jehuda setzte man an eine Tafel im Hof. Das war nicht der ehrenvollste Platz, aber die Tischordnung bei solchen Festlichkeiten war eine schwierige Sache.
Die Stadt Burgos war berüchtigt um ihres unwirtlichen Klimas willen, es war denn auch jetzt noch, im Juni, im Burghof ungemütlich frostig, die Kohlenbecken gaben nichtgenügend Wärme, und der Mangel an Behagen erinnerte die beiden jüdischen Herren während des ganzen Mahles daran, daß man im Innern der Burg angenehmer saß. Aber sie ließen sich den Verdruß über die Kränkung nicht anmerken, nicht einmal vor sich selber, sondern sprachen angeregt über die erfreulichen Folgen, die eine Verständigung Kastiliens mit Aragon bewirken mußte, die Erleichterung des Warenaustauschs, die allgemeine Belebung der Wirtschaft.
Don Jehuda schaute während dieses Gespräches mehrmals hinüber zu seiner Tochter. Sein kluges Mädchen hatte wahrscheinlich gemerkt, daß der aragonische Herr Zweiten Adels, den man ihr zum Tischnachbarn gegeben hatte, nicht der erlesenste war, den man hätte finden können; doch schien sie sich mit ihm nicht schlecht zu unterhalten. Alazar seinesteils führte ein munteres Gespräch mit
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