Die Juedin von Toledo
den wilden Stier losritt. Vor dem letzten Stoß hat er die Lippen gerührt, das hab ich ganz deutlich gemerkt. Der Kaufmann Achmed hat, bevor er in die Innere Kammer ging, die Erste Sure gebetet; wahrscheinlich hat auch dieser König einen heiligen Spruch hergesagt. Geholfen hat es auch ihm. Und er hat ausgesehen wie der junge Morgen und sehr glücklich, als das Tier zusammenbrach. Er ist ein Held. Aber ein richtiger Ritter ist er nicht. Dazu fehlen ihm wichtige Tugenden. Er ist ungeschickt inder Rede und hat keinen Sinn für Poesie. Sonst könnte ihm auch seine alte, finstere Burg nicht so gefallen.«
Don Alfonso und Doña Leonor hielten es nicht für angebracht, die Festlichkeit dieser Tage durch Gespräche zu trüben, in denen Streitpunkte erwähnt und geregelt werden mußten, und so blieb die Frage des Verlöbnisses und des Vasalleneides in der Schwebe.
Die Festwoche verging. Der große Tag war da, der Tag des Adoubements, der Schwertleite, der Tag, an dem Don Pedro den Ritterschlag erhalten sollte.
Am Morgen nahm der junge Prinz ein feierliches Reinigungsbad. Zwei Priester kleideten ihn an. Das Kleid war rot wie das Blut, das der Ritter vergießen sollte zur Verteidigung der Kirche und der göttlichen Ordnung; die Schuhe waren braun wie die Erde, in die er einmal eingehen wird; der Gürtel war weiß wie der reine Sinn, den zu wahren er geloben soll.
Alle Glocken läuteten, als der junge Herr durch rosenbestreute Straßen zur Kirche des Santiago geführt wurde. Hier, inmitten der Granden und Damen von Kastilien und Aragon, erwartete ihn Don Alfonso. Edelknappen setzten dem feierlich gerührten Don Pedro den Helm auf, taten ihm das Panzerhemd an, überreichten ihm den dreieckigen Schild; jetzt besaß er die Waffen, sich zu verteidigen. Sie gürteten ihm das Schwert um; jetzt besaß er die Waffe, anzugreifen. Zwei Edelfräulein legten ihm die goldenen Sporen an; nun konnte er für Recht und Tugend in den Kampf reiten.
So angetan, kniete Don Pedro nieder, und Erzbischof Don Martín betete mit schallender Stimme: »Vater unser, der du bist im Himmel, und der du befohlen hast, auf Erden das Schwert zu gebrauchen, um die Bosheit zu bestrafen, und der du, um das Recht zu schützen, die christliche Ritterschaft eingesetzt hast: mache, daß dieser dein Knecht dieses sein Schwert niemals gebrauche, einen Unschuldigen zu treffen, doch immer, dein Recht und deine Ordnung zu verteidigen.«
Don Alfonso dachte daran, wie damals er, ganz jung noch, und nachdem er sich in den Straßen von Toledo blutig mit den Rebellen herumgeschlagen hatte, in die Ritterschaft aufgenommen worden war. Das war in der Kathedrale von Toledo gewesen, vor der Statue des Santiago; der Apostel selber hatte ihm die Ritterschaft verliehen. Vielleicht freilich hatte, wie die Zweifler vermuteten, nur das Standbild mittels eines kunstvoll automatischen Mechanismus ihm den Schwertschlag versetzt. Vielleicht aber auch hatte sich wirklich, wie ihm der Erzbischof versicherte, in jenem hohen Augenblick das Standbild in den Apostel zurückverwandelt. Warum sollte nicht Santiago selber kommen, den königlichen Knaben von Kastilien zum Ritter zu schlagen?
Mitleidig und verächtlich blickte er nieder auf den jungen Vetter, der demütig vor ihm kniete. Was alles hatte er selber schon vollbracht, als er nicht älter war als dieser! Aufständige Ricoshombres hatten von ihm eidliche Versicherungen verlangt, auf die sie angeblich Anspruch hatten; er aber, denn er war von Gottes Gnaden König von Toledo und Kastilien, hatte sie zornig angeschrien mit einer Stimme, die noch eine hohe Knabenstimme war: »Nein, nein!« und: »Auf die Knie mit euch, ihr Lumpen von Granden!« Und sie hatten ihm mit blankem Schwert gedroht und Truppen gegen ihn geschickt, und nochmals Truppen, und er hatte mit sehr wirklichen Feinden sehr wirkliche Hiebe und Stiche getauscht. Dieser aber, der da vor ihm kniete, sein junger Vetter, war nichts als ein armseliger König von Aragon, und der dumme Knabe wird sich ohne weiteres bequemen, seinen frechen Granden den knechtischen Eid zu leisten, den diese aragonischen Barone ihren sogenannten Königen abforderten: »Wir, die wir mehr sind als du, erwählen dich zu unserm König mit der Bedingung, daß du unsere Rechte und Freiheiten aufrecht hältst, und zwischen dir und uns wählen wir einen Schiedsrichter, der mehr Macht haben soll als du. Wenn nicht, nicht. Si no, no!« Es war große Gnade, wenn er einen solchen »König« zum künftigen Mann
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