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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Freund Garcerán, der jeden Morgen kam, nach seinen Wünschen und Befehlen zu fragen, hatte er vorgelassen. Früher war jede Stunde gefüllt mit Menschen und mit Tätigkeit oder doch mit Geschäftigkeit und Rede; jetzt zum erstenmal war er müßig und allein. Versunken waren Toledo, Burgos, der Heilige Krieg, das ganze Hispanien, nichts war da, nur er und Raquel. Erstaunt genoß er dieses völlig Neue. Wie er hier lebte, das war Leben; alles vorher war Halbschlaf gewesen.
    Er hörte auf zu singen, dehnte sich, gähnte mächtig, lachte ohne Grund.
    Dann war er mit Raquel zusammen. Sie frühstückten, er Hühnerbrühe mit Fleischpastete, sie ein Ei, Konfekt, Obst; er trank stark gewässerten Würzwein, sie Zitronensaft mit viel Zucker. Er beschaute sie stolz und froh. Sie war eingehüllt in ein Kleid von leichter Seide; auch einen kleinen Halbschleier trug sie, wie sich das für eine verheiratete Frau ziemte. Aber mochte sie sich nach Belieben verhüllen und verstecken, er kannte jeden Zoll an ihr.
    Sie schwatzten angeregt. Sie mußte erklären und erzählen; so vieles, was sie anging, war ihm fremd, und alles wollte er wissen, und er verstand sie, ob sie arabisch sprach, lateinisch oder kastilisch. Auch ihm selber fiel immer Neues ein, was sie sicher interessierte und was er ihr sogleich mitteilen mußte. Jedes Wort, das einer von ihnen sagte, war wichtig, und wenn es noch so bedeutungslos und verspielt klang, und waren sie dann allein, so riefen sie sich einer des andern Worte zurück und bedachten sie und lächelten. Herrlich war es, daß man einander so gut verstand, wiewohl doch der eine vom andern so verschieden war. Im innersten Gefühl war man gleich, da spürte man genau, was der andere spürte: ein uferloses Glück.
    O der Seligkeit, wenn man ineinander verschwamm. Man spürte dieses Verschwimmen herannahen, es war ganz nahe. Nun dauerte es nur mehr den kürzesten Teil eines Augenblicks und es war da, und man sehnte sich danach und man suchte es hinauszuzögern, denn die Sehnsucht war so herrlich wie die Erfüllung.
    La Galiana hatte einen großen Park. Innerhalb der Mauern, die ihn weiß und streng umschlossen, gab es immer Neues zu entdecken, und an alles, an den kleinen Wald, an den Kiosk, an den Teich, an das Haus selber, knüpften sich merkwürdige Geschichten und Erinnerungen. Da waren etwa die zwei halbzerstörten Zisternen, man hatte sie belassen, wie sie waren – jene uralte Zeitmessungsmaschine des Rabbi Chanan.Raquel erzählte Alfonso vom Leben und Tode des Rabbis, Alfonso hörte zu, konnte nicht viel damit anfangen, sagte nichts.
    Beide kannten sie und beredeten gerne die Geschichte jener Prinzessin Galiana, deren Namen die Besitzung trug. Ihr Vater, König Galafré von Toledo, hatte ihr das Schloß gebaut. Angelockt vom Rufe ihrer Schönheit kamen viele Freier, darunter Bradamante, König des benachbarten Guadalajara, ein Mann von riesenhafter Gestalt, und König Galafré versprach ihm die Tochter. Aber auch der fränkische König Karl der Große hatte von der Schönheit der Prinzessin Galiana gehört, er kam nach Toledo unter dem angenommenen Namen Mainét, nahm Dienst bei Galafré und besiegte des Königs mächtigsten Feind, den Kalifen von Córdova. Galiana verliebte sich in den heldischen Karl, und der dankbare König Galafré sagte nun ihm ihre Hand zu. Da aber überzog der getäuschte Freier, der riesenhafte Bradamante, Toledo mit Krieg und forderte Mainét-Karl zum Zweikampf. Der nahm an und besiegte und tötete den Riesen. Allein Karls rascher Aufstieg hatte ihm viele zu Feinden gemacht, sie redeten König Galafré ein, daß Mainét nach seiner Krone strebe, und Galafré beschloß, ihn ermorden zu lassen. Die Prinzessin Galiana indes warnte ihren Liebsten, entfloh mit ihm in seine Stadt Aachen und wurde Christin und seine Königin.
    Raquel war bereit zu glauben, daß sich Galiana in den Frankenkönig verliebt hatte und mit ihm geflohen war. Aber daß Karl den Riesen besiegt habe, glaubte sie nicht, und schon gar nicht, daß Galiana Christin geworden sei. Alfonso meinte: »So hat es Don Rodrigue in den alten Büchern gefunden, und er ist ein sehr gelehrter Mann.« – »Ich werde einmal Onkel Musa fragen«, beschloß Raquel.
    Alfonso, ein wenig gereizt, sagte: »Der Palacio der Galiana wurde zerstört, als mein Urgroßvater Toledo nahm. Man hatte ihn nicht wiederhergestellt, weil damals Toledo unmittelbar an der Grenze lag. Jetzt aber habe ich Calatrava und Alarcos fest in der Hand, und

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