Die Juedin von Toledo
Abscheu ist.«
Jehuda dankte dem Freund und verließ ihn.
Und ging hin und rief seine Tochter und sprach: »Prüfe dein Herz, mein Kind, und rede offen zu mir. Wird dir dieser König, wenn er in La Galiana zu dir kommt, ein Abscheu sein? Wenn du sagst: ›Dieser Mann ist mir ein Abscheu‹, dann nehme ich dich bei der Hand und rufe deinen Bruder Alazar, und wir machen uns fort und ziehen über die nördlichen Berge ins Land des Grafen von Toulouse und von da weiter durch viele Länder in das Reich des Sultans Saladin. Mag dann der Mann hier wüten, und mag dann Unglück kommen über Tausende.«
Raquel fühlte in ihrem Innern stolze Demut und wilde Neugier. Sie war glücklich, auserwählt zu sein wie ihr Vater, ein Instrument Allahs, und sie war voll von einer fast unerträglichen Erwartung.
Sie sagte: »Dieser König ist mir kein Abscheu, mein Vater.«
Jehuda mahnte: »Bedenke es gut, meine Tochter. Vielleicht kommt viel Dunkles auf dein Haupt aus deinen Worten.« Doña Raquel aber wiederholte: »Nein, mein Vater, dieser König ist mir kein Abscheu.« Nachdem sie aber so gesprochen hatte, fiel sie um, in Ohnmacht.
Jehuda erschrak tief. Er sagte ihr Koranverse ins Ohr, er rief die Amme Sa’ad und die Zofe Fátima, sie ins Bett zu bringen, er rief Musa, den Arzt.
Als aber Musa kam, sie zu betreuen, lag sie in stillem, tiefem, sichtlich gesundem Schlaf.Nachdem der Entschluß einmal gefaßt war, wichen die Zweifel von Jehuda, und er verspürte Zuversicht, er werde nun alle seine Pläne durchführen können. Eine so heitere Kühnheit strahlte von seinem Gesicht, daß Rabbi Tobia mit Augen des Vorwurfs und Kummers auf ihn sah. Wie konnte ein Sohn Israels so fröhlich sein in dieser Zeit des Leidens! Jehuda aber sagte zu ihm: »Stärke dein Herz, mein Lehrer und Herr, es wird nicht mehr lange dauern, und ich werde dir frohe Botschaft sagen für unsere Brüder.«
Doña Raquel ihresteils ging herum bald leuchtenden Gesichtes, bald tief nachdenklich und zugesperrt, immer in Erwartung. Die Amme Sa’ad drängte in sie, ihr zu sagen, was es gebe, aber sie sagte ihr nichts, und die Alte war gekränkt. Raquel schlief gut in dieser Zeit, doch dauerte es lange, ehe sie einschlafen konnte, und wenn sie auf den Schlaf wartete, dann hörte sie wohl ihre Freundin Layla, wie sie sagte: Du Arme, und sie hörte Don Alfonso, wie er befahl: Ich will es. Aber Layla war ein dummes kleines Mädchen, und Don Alfonso war ein weitberühmter Fürst und Herr.
Am dritten Tage sagte Don Jehuda: »Ich werde jetzt dem König unsere Antwort melden, meine Tochter.« – »Darf ich meinem Vater einen Wunsch aussprechen?« fragte Raquel. »Sage deinen Wunsch«, erwiderte Don Jehuda. »Dann wünsche ich mir«, sagte Raquel, »daß, bevor ich nach La Galiana gehe, an den Wänden Inschriften angebracht werden, die mich zur rechten Zeit an das Rechte mahnen. Und ich bitte dich, mein Vater, die Inschriften auszuwählen.« Raquels Wunsch bewegte Jehuda. »Aber«, gab er zu bedenken, »es wird einen Monat dauern, ehe die Friese mit den Inschriften fertig sind.« Doña Raquel, mit einem trüb und fröhlichen Lächeln, antwortete: »Gerade das habe ich bedacht, mein Vater. Gönne mir, bitte, diese Zeit, noch bei dir zu bleiben.«
Don Jehuda nahm sie in die Arme, er drückte ihr Gesicht an seine Brust, daß er’s von oben sehen konnte, und siehe, es war voll von der gleichen verzweifelten und beglückten Spannung, die ihn selber füllte.Ein feierlicher Zug, geführt von Don Jehudas Sekretär Ibn Omar, verließ das Castillo Ibn Esra. Männer und Maultiere trugen Schätze aller Art, wunderbare Teppiche, kostbare Vasen, herrlich gearbeitete Schwerter und Dolche, edelstes Gewürz; auch zwei Vollblutpferde waren in dem Zug, und drei Krüge wurden mitgeführt, gefüllt mit Goldmaravedí. Der Zug ging über den Marktplatz, den Zocodovér, hinauf zur Königsburg. Die Leute gafften und begriffen: es war eine Geschenk-Karawane.
In der Burg meldete der diensttuende Kämmerer dem König: »Die Sendung ist da.« Alfonso, verblüfft, fragte: »Was für eine Sendung?« Fast töricht vor Staunen schaute er zu, wie die Schätze ins Innere getragen wurden. Die Geschenke des Ibn Esra sollten offenbar die Antwort auf sein Verlangen sein; der Jude gab sie ihm, wie die Ungläubigen es liebten, in einem Gleichnis. Aber der Jude blieb dunkel wie so oft, sein Gleichnis war zu fein, Don Alfonso verstand es nicht.
Er ließ den Ibn Esra rufen. »Wozu schickst du mir den goldenen
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