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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ihrer ersten Zeit.
    Doch dann kam der Freitag, und sie schickte sich an, zu ihrem Vater zu gehen. Alfonso suchte sie dieses Mal nicht zu halten; aber er saß bösen Gesichtes da, ein gekränktes Kind.
    Raquel verließ ihn so widerstrebend wie das erstemal. Allein schon auf dem Wege zum Castillo Ibn Esra verspürte sie ein tiefes Verlangen nach dem Vater; ihr war, als müsse sie sich bei ihm Hilfe und Stärkung holen.
    Sie wurde stärker in seiner Nähe. In der Galiana war sie nur ein Teil Alfonsos gewesen, nicht sie selber; sie hatte Alfonsos Ganzheit bewundert und sich selber unterlegen gefühlt, weil sie zwiespältig war. In Gegenwart des Vaters wußte sie: ihre Zwiespältigkeit war Tugend, war ein, freilich verfängliches, Glück.
    Alfonso ging dieses Mal nicht nach Toledo; er wollte nicht wieder die stummen, mißbilligenden Gesichter seiner Herren um sich haben. Lieber ertrug er die Qual, in der Galiana auf Raquel zu warten.
    Nun sie aber nicht da war, bedrückte ihn die Fremdheit des Hauses. Die üppigen Polster, die farbigen Schnörkel und Ornamente, die plätschernden Springbrunnen machten ihn beklommen.
    Er stand vor einem der hebräischen Spruchbänder. Mit seinem guten Gedächtnis erinnerte er sich genau der Worte, die ihm Raquel übersetzt hatte. Da versicherte der jüdische Gott sein auserwähltes Volk seiner ewigen Gnade und des Triumphes über alle andern Völker. Alfonso sehnte sich brennend nach Raquel, und gleichzeitig, vor der ärgerlichen, anmaßenden Inschrift, sagte er sich: es ging nicht mit rechten Dingen zu, daß er so um sie litt. Die Juden waren nun einmal Geschöpfe, auf die es mit Bewilligung Gottes der Teufel besonders abgesehen hatte. Die Schlange im Wams, der Zunder im Ärmel, ging es ihm durch den Sinn. Auch Raquel, gegen ihren Willen, war eine Hexe, und er war besessen.
    Er ging hinaus ins Freie, warf sich unter einen Baum.
    Rief den Gärtner Belardo, um mit ihm zu schwatzen. Fragte ihn geradezu: »Wie denkst du eigentlich über mein Leben hier?« Belardos rundes, fleischiges Gesicht wurde ein einziges, dümmliches Staunen. »Wie ich darüber denke, Herr König«, antwortete er schließlich, »das ziemt mir nicht zu sagen und auch nicht zu denken.« – »Dann sag es schon«, befahl ungeduldig Alfonso. »Wenn ich es also sagen muß«, erwiderte Belardo, »dann sage ich: eine so ungeheuer großeSünde ziemt sich nur für einen ungeheuer großen Herrn.« – »Sprich weiter!« forderte Alfonso ihn auf. »Und es ist auch schade«, fuhr vertraulich der Gärtner Belardo fort, »daß wir alle und vielleicht auch du selber, Herr König, dadurch um die Freude unseres Herzens und den Hauptspaß unseres Lebens kommen.« – »Sprich ruhig weiter«, ermunterte ihn der König. »Ich muß in diesen letzten Monaten«, schwatzte der Gärtner Belardo, »immer an meinen seligen Großvater denken. Der hat, wenn er guter Laune war, von seinem großen, heiligen Feldzug erzählt. Siehst du, Herr König, das war so. Als damals der griechische Kaiser Alexius den Heiligen Vater um Hilfe bat fürs Heilige Land, schrieb er ihm, was für eine große Schmach die Christenheit dort erdulden muß und wie die heiligen Bilder des Heilands überall an Nase und Ohr, an Arm und Bein verstümmelt sind, und wie die heidnischen Machummetaner immerfort argen Frevel gegen christliche Töchter üben, wozu die Mütter singen müssen, und dann wieder gegen die Mütter, wobei den Töchtern schnöde Romanzen zugemutet werden. Außerdem schrieb der griechische Kaiser, daß, ganz abgesehen von der Heiligkeit eines solchen Krieges, von den Heiden großer Goldschatz zu holen wäre und daß auch die Weiber im Morgenland unvergleichlich schöner wären als die im Abendland. Alle Christenheit war gerührt und erzürnt durch diesen Brief, und auch mein seliger Großvater. Er hat sich ein Kreuz angenäht und ein altes Lederkoller gekauft und eine Lederhaube und ist mit gnädiger Erlaubnis deines hochseligen Herrn Großvaters den langen Weg gezogen. Ich kann mir’s gar nicht denken, wie er’s geschafft hat, der alte Mann; damals freilich ist er viel jünger gewesen. Wie er endlich hinkam, haben die andern schon alles erobert gehabt, die Schätze und die Weiber, und viele sind auch tot gewesen. Er ist also gar nicht zum Kampf gekommen, und er hat auch nichts mit nach Hause gebracht. Aber es war doch das Beste, was er im Leben gehabt hat, weil er gebetet hat an dem Stein, auf welchem der Heiland selber gesessen hat, und getrunken aus dem

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