Die Juedin von Toledo
Wasser,aus dem der Heiland selber getrunken hat, und den Leib getaucht in den heiligen Fluß Jordan. Und wenn mein Großvater guter Laune war, hat er davon erzählt, und dabei hat er ganz heilige Augen gehabt.« Belardo verstummte in Erinnerung. »Und?« fragte Alfonso. »Es wäre halt schön«, meinte Belardo, und seine Augen schauten dumm-schwärmerisch, »wenn auch unsereiner einen so heiligen Spaß erlebte. Was kann uns schon passieren im Krieg gegen die abscheulichen Machummetaner? Wenn es gut geht, dann erbeuten wir Geld und Weiber, und wenn es schlecht geht, dann gehen wir selig ins Paradies ein.« – »Kurz«, resümierte Don Alfonso, »du findest es lästerlich, daß ich hier auf dem Lotterbett liege.« – »Schütze mich Gott vor einem so greulichen Gedanken gegen deine Majestät!« verwahrte sich Belardo.
Das Gerede seines pfiffigen Gärtners, so albern es war, beschäftigte Alfonso. Alle spürten es, daß er seine Ritter- und Königspflichten verabsäumte, daß er sich »verlag«, so wie es unter den Alten die Helden Herkules und Antonius getan hatten und auch der hebräische Ritter Simson mit seiner Delila. Er hielt es im Schlosse nicht aus, er verbrachte alle Zeit im Garten, er schlief sogar im Freien, und sein Schlaf war nicht gut.
Sowie aber Raquel zurück war, kam der alte Zauber über ihn. Nicht mehr stieß das arabische Wesen ihn ab. Das Leben in der Galiana war gut, kein besseres hatte er je geführt. Er lachte jungenhaft erstaunt, wie glücklich er war. Ein fröhlicher Trotz war in ihm. Wenn er sich verlag, dann war es ihm recht so, er war damit einverstanden, und keiner sollte kommen und ihm schwatzen von Schuld und Reue. Ein so hohes Glück, wie es von Raquel ausging, das konnte nicht vom Satan stammen. Vielmehr hatte Gott ihn, weil er ein König war, in seine besondere Gnade genommen, und diese Liebesseligkeit war ein neuer Beweis seiner Gnade. Er war Don Alfonso, Alfonsus Rex, der Achte seines Namens. Er stand ein für das, was er tat. Er lebte mit Raquel, weil es göttliche Eingebung und sein königlicher Wille war.
Als sie am nächsten Freitag zu ihrem Vater ging, sagte er: »Ich will nicht, daß du dich in meine Hauptstadt hineinschleichst. Ich will nicht, daß die Dame, welche König Alfonso auserwählt hat, sich versteckt.«
Sie ließ sich in offener Sänfte nach Toledo tragen. Er selber befahl Gefolge nach La Galiana und ritt großartig hinauf in die Stadt und in seine Burg.
Der Page Alazar hatte eine Bitte an den König. Der Schildknappe Sancho hatte ihn verhöhnt wegen seines Minnedienstes für Doña Juana, und er wollte den Sancho zum Zweikampf fordern. Er bat den Herrn König ehrerbietig um die Gnade, ihn zum Écuyer zu erhöhen, damit er imstande sei, die Ausforderung zu machen.
Das Anliegen des Knaben war berechtigt; er hatte nun länger als üblich ohne Fehl gedient und durfte erwarten, daß der König ihm den erbetenen Rang verleihe. Aber man konnte nicht wohl einen Juden zum Schildknappen machen. »Du hast, mein Alazar«, erwiderte nach kurzem Nachdenken freundlich der König, »alle guten Eigenschaften, die ein Ritter benötigt. Doch kennen wir hierzulande nun einmal nur christliche Ritter.« Der Knabe errötete. »Das ist mir bewußt«, sagte er. »Ich habe auch, bevor ich deine Majestät um die Gunst bat, mein Gewissen gründlich erforscht und alles Für und Wider geprüft. Ich bin willens, ein christlicher Ritter zu werden.«
Alfonso war überrascht, verwirrt. Tausende von Juden, Zehntausende hatten sich erschlagen lassen, bevor sie ihre Religion aufgaben, und da kam dieser Knabe, von keinem genötigt oder auch nur aufgefordert, und wollte seinen Glauben abschwören. »Hast du mit deinem Vater gesprochen?« fragte er unbehaglich. »Nein«, erwiderte ohne Zögern Alazar, und trotzig fügte er hinzu: »Keiner hat mir zugeredet, und keiner soll mir abreden.«
Alfonsos Verwirrung klärte sich. Es war das Leben am Hofe von Kastilien, an seinem Hofe, welches diesen jungenMenschen das Licht hatte sehen machen. Und plötzlich stieg dem König ein Gedanke auf, den zu denken er bisher nie gewagt hatte, die Vorstellung, daß auch seine liebe Liebste erleuchtet werden könnte. Hatte sie nicht schon Sinn und Spürung bekommen für das Ritterliche in ihm, das Kriegerische, das früher ihrem Herzen so durchaus fremd gewesen war? Der bloße Gedanke aber, es könnte ihm vergönnt sein, Raquel dem rechten Glauben zu gewinnen, gab seiner Verstrickung mit ihr neuen, hellen Sinn und
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