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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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der geistlichen Zufluchtsstätten deines Landes, halte Einkehr in dich selbst und warte, daß die Stimme Gottes dir spreche.« – »Du legst mir viel auf«, sagte Don Alfonso. »Ich lege dir weniger auf, als ich sollte«, antwortete Don Rodrigue. »Es fällt mir schwer, von meinem geliebten Sohn das ganze Maß zu verlangen.«
    Rabbi Tobia, der im Hause Don Ephraims wohnte, hielt sich die meiste Zeit allein in seinem Raum, fastend, betend, sich versenkend in die Heilige Schrift. Jeder Augenblick, lehrte er, der anders verwendet werde als zur Versenkung in den Herrn und seine Offenbarung, sei eitel und vertan.
    Der Rabbi war streng und fanatisch geworden in den vielen Nöten, die er und seine Gemeinde hatten erleiden müssen. Am härtesten geprüft hatte ihn dieses letzte Jahr. Er war, als König Philipp August die Juden aus Paris verbannte, mit Mitgliedern seiner Gemeinde nach Bray-sur-Seine geflohen. Als dann die Markgräfin Blanche jenes Edikt erneuerte, daß sich am Karfreitag zur Buße für die Folterung Christi ein Repräsentant der Juden öffentlich müsse ohrfeigen lassen, hattedie Gemeinde darauf bestanden, daß sich Rabbi Tobia beizeiten entferne, da vermutlich die Behörden ihn für diese Demütigung ausersehen würden. Während seiner Abwesenheit dann hatte der König jene kurze, furchtbare Strafexpedition gegen die Juden von Bray unternommen, die Frau des Rabbi Tobia war verbrannt worden, seine Kinder ins Kloster gesteckt. Rabbi Tobia hatte hier in Toledo immer nur von den Leiden aller gesprochen, niemals von seinen eigenen, er hatte auch denen, die um sein Schicksal wußten, verboten, davon zu sprechen, und so erfuhren die Juden von Toledo erst allmählich von dem, was ihm widerfahren war.
    In der Einsamkeit seines Zimmers freilich überdachte der Rabbi oftmals die Ereignisse von Bray, und immer neue Zweifel kamen ihn an, ob er recht daran getan habe, dem Drängen der Gemeinde nachzugeben und die Stadt zu verlassen. Wäre er geblieben, bereit, die Demütigung auf sich zu nehmen, dann wäre es ihm vergönnt gewesen, gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern sein Leben hinzugeben zur Heiligung des göttlichen Namens.
    Buße und Kasteiung waren Rabbi Tobia von jeher als hohes Gnadengeschenk Gottes erschienen; keine bessere Krönung des irdischen Daseins konnte er sich denken als das Martyrium, die Opferung, die »Akeda«. Er erklärte es als eine Todsünde, beim Herannahen von Kreuzfahrern ein Kreuz vor dem Haus anzubringen oder sich ein Kreuz aufs Gewand zu nähen. »Wenn die Banditen«, lehrte er, »verlangen, daß ihr ihnen einen Mann ausliefert, ihn zu erschlagen, oder eine Frau, sie zu schänden, dann sollt ihr euch alle niedermachen lassen, ehe ihr willfahrt. Und verdammt ist derjenige, der sich, um sein Leben zu retten, zum Götzendienst bekennt, und er bleibt verdammt in Ewigkeit auch dann, wenn er schon nach einer Woche in den Bund Israels zurückkehrt.«
    »Die prächtigste Krone«, lehrte er, »ist die Demut, das erlesenste Opfer das zerknirschte Herz, die höchste Tugend die Ergebung. Der Fromme, wird er verlacht und öffentlich gegeißelt, dankt dem Allmächtigen für die Strafe und gelobtBesserung in seinem Herzen. Er lehnt sich nicht auf gegen diejenigen, die ihm Böses tun, er vergibt seinen Quälern. Er denkt unverwandt an den Tag seines Todes. Wird ihm sein Teuerstes genommen, Weib und Kind, dann beugt er sich in Demut vor der Gerechtigkeit der Vorsehung. Wollen ihn die Feinde zur Verleugnung seines Glaubens zwingen, dann opfert er in froher Frommheit sein Leben. Murret nicht beim Anblick der Wohlfahrt und des Übermutes der Heiden; die Wege Gottes sind gnadenreich, auch wenn ihr Ziel auf Jahrzehnte und Jahrhunderte verborgen bleibt.«
    Solche Ergebung fiel Rabbi Tobia nicht immer leicht, er hatte ein heftiges Herz. Nicht wenige der Juden hatten ihren Haß gegen die Verfolger ausströmen lassen in wilden Versen der Schelte und des Zornes auf die »Vagabunden und Steppenwölfe«, auf ihren »Gehenkten Götzen«, auf das »Abwasser der Taufe«. Und maßlos war die Klage, schreiend das Gebet um Rache. »Gott der Gerechtigkeit«, gellten diese Verse, »vergiß nicht des vergossenen Blutes! Dulde nicht, daß es zugedeckt bleibe von der Erde! Übe an meinen Feinden das Gericht, das deine Propheten verkünden! Hinunter in das Tal Josaphat schmettere deine Hand meine Widersacher!« Auch gegen den Herrn selber schrien diese Dichter ihre Anklagen: »Wer bist du, Gott, daß du dich nicht vernehmen

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