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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Frommen, aber er war gerecht, er verteidigte den Ibn Esra. »Wenn in der westlichen Welt«, antwortete er, »unter unsern Brüdern einer die Macht hat, euch zu helfen, dann ist es Don Jehuda, und sein bester Wille steht außer Zweifel. Warte noch eine kurze Weile, mein Herr und Lehrer. Verwehre nicht durchUngeduld und Strenge den verfolgten Brüdern die Zuflucht des linden Kastiliens.«
    Rabbi Tobia bereute, daß er den Zorn hatte Macht gewinnen lassen über sich. Er sagte zu, sich noch ein weniges zu gedulden.
    Don Jehuda war bedrückt. Ihn quälte die Vorstellung, was die Juden Toledos von ihm und von Raquel hielten. Mußten sie nicht Abscheu spüren?
    Auch der Kummer um Alazar quälte ihn. Zwar hatte der Knabe ihm nicht gesprochen von seiner Absicht, zum Christentum überzutreten, aber Jehuda war sich bewußt, daß der Sohn den Wahrheiten jüdischer Lehre und arabischer Weisheit für immer verloren war. Und er war schuld daran. Statt den Sohn von dem gefährlichen Hof dieses Ritters und Soldaten zurückzuhalten, hatte er ihn hingetrieben.
    Schuld, Schuld! Er hatte schwere Schuld auf sich geladen!
    Er hatte sich gebrüstet mit seiner Sendung. Er hatte sich vorgemacht, er habe die Tochter geopfert, Gott zu Ehren. Aber Gott verwarf sein Opfer, das wurde klarer mit jedem Tag. Er hatte erwartet, die Verbindung Raquels mit Alfonso werde es ihm erleichtern, die fränkischen Flüchtlinge in Kastilien anzusiedeln; statt dessen verzögerte diese Verknüpfung das Rettungswerk, vereitelte es vielleicht vollends. Der König wich ihm aus, er hatte ihn seit ewiger Zeit nicht zu sehen bekommen, er konnte ihm das Anliegen, das ihm auf der Seele brannte, nicht einmal vortragen.
    Solchen Mutes war Don Jehuda, als der Párnas Ephraim ihn aufsuchte. Er hielt es für seine Pflicht, ihn von dem Vorhaben des Rabbi Tobia zu unterrichten.
    Don Jehuda war tief aufgerührt. Dieser Ephraim Bar Abba hatte ihn immer angezweifelt, und nun durfte er triumphieren und ihm dürr ins Gesicht sagen, daß auch Rabbi Tobia sein Versprechen, dem verfolgten Israel eine Heimstätte in Kastilien zu schaffen, für leeres Geschwätz hielt. Lieber, als länger auf ihn warten, wollte der Rabbi seine fränkischen Juden indas gefährliche Deutschland führen. Und er kam nicht einmal selber, ihm das zu sagen. Der Fromme mied seine verpestete Nähe.
    »Ich weiß«, sagte er bitter und voll heißer Scham, »Rabbi Tobia verachtet mich mit seinem ganzen, strengen, frommen, einfältigen Herzen.«
    »Du hast Unsern Herrn und Lehrer Tobia sehr lange warten lassen«, antwortete Don Ephraim. »Es ist verständlich, wenn er nun versuchen will, anderorts Rettung zu finden. Ich weiß, dein Versprechen war aufrichtig, aber ich fürchte, in dieser Sache ist der Segen des Herrn nicht mit dir.«
    Daß ihm Ephraim seine Überheblichkeit so offen vorwarf, brachte Jehuda auf. Und der Zorn half ihm zu einem Einfall. »Ich brauche länger, das Privileg zu erwirken«, sagte er, »als ich erwartete, und ich begreife deinen Kleinmut. Aber vergiß nicht, wie schnell und übel sich die Zeit verändert hat. Als ich meinen Vorschlag machte, ging es um fünfzehnhundert oder höchstens zweitausend Verfolgte. Jetzt sind es ihrer fünf- oder sechstausend. Ich verstehe deine Zweifel, man kann nicht so viele Bettler ins Land lassen.« Er unterbrach sich eine ganz kleine Weile, schaute Ephraim ins Gesicht und fuhr fort: »Aber ich habe, glaube ich, die Lösung gefunden. Die Flüchtlinge dürfen eben keine Bettler sein, wenn sie die Grenze überschreiten. Wir müssen sie von Anfang an mit Geld ausstatten. Ich denke, etwa vier Goldmaravedí für einen jeden werden genügen.«
    Ephraim starrte fassungslos. »Du sprachst von sechstausend Flüchtlingen!« brach er aus mit seiner dünnen Stimme. »Woher willst du das Geld nehmen?«
    Jehuda antwortete freundlich: »Ich allein könnte es nicht schaffen, da hast du recht. Die Hälfte des Betrages, etwa zwölftausend Goldmaravedí, stelle ich zur Verfügung. Für das übrige brauche ich deine Hilfe, mein Herr und Lehrer Ephraim.«
    Ephraim saß da, klein, zusammengesunken in seinen vielen warmen Gewändern. Das freche Dichten und Planen Jehudasfüllte ihn mit einer unwillentlichen Bewunderung, und es war ihm Genugtuung, daß der Stolze seinen Beistand anrief. Doch wie konnte er ihm helfen? Zwölftausend Maravedí! Nach den ungeheuern Summen, welche die Aljama für die Unterstützung der Verfolgten gespendet hatte, konnte sie nicht noch diesen riesigen Betrag

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