Die Juedin von Toledo
den er anrannte. Der Krieg war nicht möglich, solange nicht der Fant von Aragon versöhnt war.
»Ich weiß, Herr König«, sagte mit dringlicher Stimme Jehuda, »daß dein Herz an dem Feldzug hängt. Möge mir deine Majestät doch glauben, daß mein Vetter Don Joseph und ich unablässig darüber nachsinnen, wie ein wahrer Friede zwischen unsern erlauchten Fürsten herbeigeführt werden könnte.«
Des Königs Unmut vertiefte sich. Versöhnung mit Aragon zustande bringen konnte kein Ibn Esra. Das wußte der Jude so genau wie er selber. Verhöhnte er ihn?
Jehuda nahm den Unmut des Königs wahr. Es war keine gute Stunde, ihn um die Zulassung der Flüchtlinge zu bitten. Aber er hatte sein Gelübde, vor ihm stand hoch und finster der Große Bann, die Frist war kurz. Und wer mochte wissen, wann er den König ein zweites Mal zu sehen bekam? Er mußte sprechen.
Er sprach.
Alfonso hörte grimmig zu. Jetzt zeigte der Fuchs sein Gesicht. »Hast du mir nicht gerade versichert«, sagte er, »du wolltest mir helfen, meinen Heiligen Krieg endlich zu beginnen? Und da verlangst du, daß ich deine Juden ins Land lasse? Ich sag es dir in dein schlaues Gesicht: du willst meinen Krieg hintertreiben. Du tust alles, ihn zu hintertreiben. Du willst es hintertreiben, daß ich mich mit dem Fant von Aragon einige. Du hetzest mich gegen Aragon, und dein Herr Vetter hetzt Aragon gegen mich. Ihr schleicht und lügt und schwindelt, echte Bänker und Händler und Juden, die ihr seid.« Der König schmetterte nicht, er sprach leise, das machte seine Rede noch gefährlicher.
Ich hätte doch nicht sprechen sollen, dachte Jehuda. Aber ich mußte sprechen. Ich hab meinen Eid im Himmel, ich kann nicht zurück. Er sagte verwegen: »Du kränkst mich zu Unrecht, Herr König, und auch meinen Vetter. Wir tun unser Bestes. Aber freilich vermögen wir nicht viel.« Und noch kühner fuhr er fort: »Ich weiß jemand, der mehr erreichen kann: deine Frau Königin. Sie ist klüger als wir alle. Geh zu ihr. Bitte sie, daß sie es unternehme, den erlauchten Don Pedro zu versöhnen.«
Der König ging auf und ab. »Du bist sehr frech, Herr Escrivano«, warf er ihm hin, die unterdrückte Stimme verbarg kaum die Wut.
Jehuda indes, tollkühn, er hatte nichts mehr zu verlieren, sprach weiter: »Aber selbst deine Frau Königin, und wenn sie die Versöhnung zustande bringt, wird Monate brauchen. Verzeih meinem platten Kaufmannsverstand, wenn er nicht einsieht, warum wir nicht diese Monate nützen sollen, jeneFlüchtlinge ins Land zu ziehen. Sie haben Hände und Köpfe, die wir gut gebrauchen können. Deine Länder, Herr König, sind noch immer entblößt durch die vielen Kriege. Du solltest dir diese sehr nützlichen Ansiedler sichern. Ich bitte dich sehr, Herr König, wische nicht meine guten Gründe mit schneller Hand fort. Wäge sie. Bedenke sie.«
Don Alfonso spürte Lust, das widerwärtige Gespräch zu beenden. Vielleicht hatte der Jude recht, wahrscheinlich hatte er recht, und schon wollte der König nachgeben. Aber dann überlegte er: was den Juden so frech machte, war nicht das gute Gewicht seiner Argumente, es war ein sehr anderes. »Deine Gründe mögen gut sein«, sagte er gereizt, »aber es gibt auch gute Gegengründe, und du kennst sie.« Jehuda schickte sich an, zu erwidern. Allein Alfonso, ungestüm, kam ihm zuvor. »Ich will nicht länger davon hören«, schmetterte er.
Da aber sah er das blasse, verstörte Gesicht des Juden, er dachte an die Tochter des Mannes mit diesem Gesicht, und: »Laß es gut sein«, fügte er schnell hinzu, »ich werde alles bedenken, nicht nur die Gegengründe, auch deine Gründe.« Und mit der früheren, erzwungenen Lustigkeit schloß er: »Und ich werde auch die Wolle nicht vergessen, in die du mich gesetzt hast.«
Sie trennten sich, der König voll Gnade, der Jude voll gespielter Demut und gespielter Zuversicht, beide voll Mißtrauen.
Drittes Kapitel
Raquel hatte sich all die Zeit her zergrübelt, was es bedeutete, daß Alfonso sie eine ganze Woche lang und länger allein ließ. Nebelhafte Ängste suchten sie heim. Ihr ahnte, daß sein Gott einzugreifen drohte.
Dann kam der Brief, in welchem er ihr in den drei Sprachen seines Landes zujubelte: Morgen, morgen, morgen. Und dann war er da.
Sowie sie einander sahen, tauchten ihnen die Tage der Trennung hinunter. Sie hatten geatmet diese endlose Woche hindurch, nicht gelebt. Jetzt lebten sie. Es gab für sie kein Leben außerhalb der Galiana. Sie hatten sich eine
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