Die Juedin von Toledo
aufbringen. Rabbi Tobia wird also fromm und wahnsinnig seine fränkischen Flüchtlinge nach Deutschland und in ihren Untergang führen.
Aber das ging nicht! Das durfte Don Ephraim nicht geschehen lassen! Er hätte keine glückliche Stunde mehr. Er mußte dem Ibn Esra helfen! Mußte das Geld aus der Aljama herausquetschen!
Vielleicht übrigens – eine kleine, sündige Hoffnung regte sich in Ephraim –, vielleicht wird Jehudas Plan schließlich doch noch scheitern. Er bildete sich ein, der Gaukler, Verbrecher und Prophet, er könne von dem heidnischen König alles erlangen, weil er ihm seine Tochter zur Unzucht hingab. Aber er kannte die Christen schlecht und ihre Könige, der Größenwahnsinnige.
Sachlich, mit kaum merkbarem Hohn, präzisierte Don Ephraim: »Wenn die Aljama für die geforderte Restsumme gutsteht, dann verbürgst du dich also, das Niederlassungsprivileg für sechstausend fränkische Juden zu erwirken. Habe ich dich recht verstanden?« Jehuda, ebenso geschäftlich, bestätigte: »Es soll für sechstausend flüchtige fränkische Juden ein Betrag von je vier Goldmaravedí beschafft werden. Ich meinesteils werde zwölftausend Maravedí bereitstellen. Bürgt die Aljama für den Rest, dann verpflichte ich mich, ein königliches Edikt zu erwirken, welches den Flüchtlingen die Niederlassung in Kastilien erlaubt.«
Don Ephraim, hart und unnachsichtig, fragte weiter: »Und binnen welcher Frist, mein Herr und Lehrer Don Jehuda, verpflichtest du dich, das Edikt zu erwirken?«
Jehuda sah ihn wilden Blickes an. Er war frech, dieser Ephraim Bar Abba. Es war das erstemal, daß Jehuda keinen Erfolg hatte, und schon wurden die andern frech. Dochschnell sagte er sich, die Aljama behandle ihn zu Recht wie einen schlechten Schuldner; er hatte versprochen und nicht gehalten.
Aber noch war er nicht bankrott. Vielleicht, wenn er sich spornte zu einer letzten, ungeheuern Anspannung, nahm Gott sein Opfer an und brach des Königs bösen Willen.
Mit plötzlichem Entschluß stand er auf, winkte Ephraim, sitzen zu bleiben, ging in die Bibliothek, holte aus dem Schrein eine Rolle der Heiligen Schrift, rollte sie auf, suchte, legte die Hand auf die gesuchten Verse und sagte leise, doch wild: »Hier in deiner Gegenwart, mein Herr und Lehrer Ephraim Bar Abba, gelobe ich: Bevor das Laubhüttenfest um ist, werde ich von König Alfonso, dem Achten seines Namens, ein Privileg erwirken, welches sechstausend fränkische Juden ermächtigt, sich niederzulassen hier in diesem Lande Sepharad.«
Ephraim, tief bestürzt, war aufgestanden. Jehuda, immer mit der gleichen Wildheit, verlangte: »Und nun, Herr Zeuge, nimm du zur Kenntnis, was ich gelobt habe, und lies die Sätze der Lehre, wie es der Zeuge soll!« Ephraim aber neigte sich über die Rolle und las und sprach mit blassen Lippen: »Wenn du ein Gelübde tust, so sollst du es zu halten nicht verziehen; denn der Herr dein Gott wird es von dir fordern, und es wird dir Sünde sein. Was zu deinen Lippen ausgegangen ist, sollst du halten und danach tun, wie du gelobt hast.« Und Jehuda sagte: »Amen, so sei es. Und wenn ich nicht erwirke, was ich gelobt habe, dann wirst du gegen mich den Großen Bann verkünden.« Und Ephraim sagte: »Amen, so sei es.«
Alfonso verbrachte die Zeit der Einkehr im Pönitenzhaus von Calatrava. Er versuchte, sich das Verwerfliche seines Treibens in der Galiana vorzuhalten, versuchte zu bereuen. Aber er bereute nicht, er freute sich dessen, was er getan hatte, und wußte, er werde es nicht lassen. Die stillen Tage klösterlicher Zurückgezogenheit verstärkten nur den jungenhaftfröhlichen Trotz, den er dem Kummer Don Rodrigues entgegengestellt hatte. Es war nicht Höllenfeuer, wenn er jetzt vor Sehnsucht nach Raquel brannte, es war Gnade Gottes. Und er wird ihre Seele retten, dessen war er sicher.
So gestimmt, kehrte er nach Toledo zurück. In einer wunderlich büßerischen Regung indes, als ob er dadurch nachholen könnte, was er im Kloster versäumt hatte, legte er sich auf, noch diesen Tag in Toledo zu bleiben und erst am Abend des nächsten in die Galiana zurückzukehren.
Er warf sich in die Geschäfte, froh, daß sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit erforderten.
Don Pedro von Aragon hatte eine ansehnliche Truppenmacht gesammelt, um in allernächster Zeit ins moslemische Gebiet, ins Valencianische, vorzustoßen. Es war der Erzbischof, der Don Alfonso das mitteilte. Don Martín hatte mit Genugtuung erfahren, daß es dem Domherrn geglückt war, den
Weitere Kostenlose Bücher