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Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Titel: Die Juliette Society: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasha Grey
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unterbreche ich ihn. »Jetzt komm ich echt nicht mehr ganz mit, reden wir hier von Unternehmensführung oder übers Ficken?«
    »Ficken?«, sagt er, beinahe überrascht, dieses Wort aus meinem Mund zu hören. »Hier geht es um viel mehr als nur ums Ficken.«
    »Das sagstes du bereits«, werfe ich ein, »aber du verrätst mir nicht, um was es dann geht.«
    »Um Lust«, antwortet er und dehnt das letzte Wort dabei lang wie ein Zischen. »Und um Macht. Wir konnten uns beides nicht nehmen lassen, also ging der Kult in den Untergrund und agierte heimlich und vor aller Augen weiter.«
    »Wie kann man vor aller Augen und heimlich agieren? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Durchaus«, erwidert er. »Lass es mich mal so ausdrücken: Welche Geschichten lassen sich niemals beglaubigen?«
    »Alles, was in der Yellow Press steht oder auf den Gossipseiten im Internet.«
    »Genau«, meint er. »Klatsch. Gerüchte. Mythen.«
    »Und?«
    »Und ein Gerücht kann nicht strafrechtlich verfolgt werden, ein Mythos nicht widerlegt«, sagt er. »Er lebt einfach weiter und setzt seinen Einfluss fort, aber er kann nicht ausgelöscht werden. Er kann sich bloß weiterentwickeln oder wandeln. Deshalb ist der Kult seit dieser Zeit auch unter vielen Namen bekannt.« Und er spult eine Liste von Begriffen herunter, die wie die Titel von trashigen Horrorfilmen klingen:
    Der Isiskult .
    Geheimorden der Freidenker.
    Der Hellfire Club.
    »Der Name, unter dem er jetzt bekannt ist, lautet The Juliette Society «, erklärt er dann. »Aber ganz gleich, wie er heißt, alles leitet sich von den Mysterienreligionen ab.«
    »Und was für ein Mysterium war das?«, frage ich fasziniert.
    »Bei dem Mysterium handelt es sich nicht um ein bestimmtes Wissen, das es aufzudecken galt«, erklärt er. »Es ist ein Ort, der heraufbeschworen wird, ein Ort wie dieser. Ein Ziel, kein Zwischenstopp auf dem Weg.«
    Er spricht in Rätseln.
    »Und wie kommt man an dieses Ziel?«, hake ich nach.
    »Wie bist du hierhergekommen?«, fragte er mich.
    »Fahrservice«, antworte ich. »Hat mich am Eingangstor abgesetzt. Passwort: Fidelio. Die Sicherheitsleute haben mich komisch angeschaut. Ich denke, sie hatten Tom Cruise erwartet. Stattdessen kam ich an. Tom Cruise mit Titten.«
    »Sehr witzig«, meint er, aber er lacht nicht. Er setzt nicht mal sein Lächeln auf. »Aber das habe ich nicht gemeint«, fährt er fort. »Es gibt drei Stufen der Initiation.«
    »Und die wären?«
    »Die Verwirrung der Sinne.«
    Hab ich erlebt.
    »Die Berauschung des Körpers.«
    Kenn ich.
    »Orgiastischer Sex.«
    Hatte ich auch. Alles korrekt. Und hier bin ich.
    Es war also kein Zufall oder eine willkürliche Aneinanderreihung von Ereignissen, die mich hierhergebracht hat.
    Ich wurde hierher geführt.
    »Jetzt weißt du, wie du hierhergekommen bist«, sagt er, als könne er meine Gedanken lesen. Und dann lächelt er wieder sein geheimnisvolles Lächeln. Ich kann ihn einfach nicht durchschauen.
    »Was auch immer die Juliette Society ist, ich will nichts damit zu tun haben«, erkläre ich ihm. »Ich will bloß meine Freundin finden.«
    »Du bist aber schon Teil davon«, sagt er.
    »Ich gehöre nicht hierher!«, blaffe ich ihn an.
    »Du hast es so weit geschafft, also gehörst du auch hierher«, erwidert er und schaut mir dabei direkt in die Augen.
    »Aber wieso ich?«, frage ich.
    »Im Gegensatz zu den anderen …«
    »Welche anderen?«, unterbreche ich ihn.
    »Die anderen, die es nicht geschafft haben«, fährt er fort. »Weißt du, diejenigen, die schon auf halbem Wege eingeknickt sind oder aufgegeben haben, diejenigen, die sich bei der Initiation sträubten. Sie wurden geopfert.«
    Geopfert? , denke ich. Habe ich das eben richtig gehört? Ich erschaudere und versuche, nicht so irritiert zu wirken, wie ich mich fühle.
    »Ist das jetzt eine von diesen Ich könnte es dir sagen, aber danach müsste ich dich umbringen- Situationen?« Ich meine das bloß als halben Witz.
    Er lacht, aber ich glaube nicht, weil er den Witz verstanden hat, und er sagt auch nicht Nein.
    »Wir haben mehr gemeinsam, als uns unterscheidet, weißt du«, fährt er fort. »Wir sind uns ähnlicher, als du dir vielleicht eingestehen willst. Auch wenn es dir schwerfällt, das zu begreifen. Wir sind anders als die anderen.«
    »Warum ich?«
    »Du hast eine Begabung.«
    »Und welche soll das sein?«, frage ich.
    »Du bist unbestechlich und lässt dich nicht kleinkriegen. Verstehst du.« Das fragt er mich nicht, es ist eine Feststellung. Aber

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