Die Juliette Society: Roman (German Edition)
dem Thron ist von den Peitschenhieben bewusstlos zu Füßen der verschleierten Gestalt zusammengesackt.
Das Ganze ist eine verdammt merkwürdige Szenerie. Zu strange für mich. Am liebsten würde ich bloß noch losrennen und von hier abhauen, aber ich kann nicht. Ich bin diesem Körperschwarm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Die Musik dröhnt in meinen Ohren. Mein Herz klopft so heftig, dass es sich anfühlt, als würde mein Brustkorb gleich explodieren. Es klopft so heftig, dass ich spüre, wie Panik in mir aufsteigt, und ich anfange zu hyperventilieren. Es kostet mich alle Willenskraft, mich zu beruhigen, meinen Atem zu kontrollieren, damit ich mir überlegen kann, was nun zu tun ist und wohin ich mich wenden soll. Mittlerweile kommt es mir so vor, als würde sich das Körpergewimmel nicht teilen, um mir den Weg frei zu machen, den ich einschlagen will, sondern als würde es mich leiten. Solange ich dorthin gehe, wo ich hinsoll, lassen mich die Körper gewähren.
Schon bald bin ich fast am anderen Ende der Höhle angekommen und sehe eine Öffnung in der Felswand, ein Ausweg vielleicht, und mir wird bewusst, dass ich dorthin geführt wurde. Jeder neue Schritt erscheint mir qualvoller als der davor, bis ich es schließlich nicht mehr aushalte und die letzten paar Körper auf dem Weg in Sicherheit einfach überspringe.
Ich haste durch die Öffnung, so schnell mich meine Beine tragen, und renne einen schmalen Gang entlang, der bloß von Fackeln erleuchtet wird. Ich sehe mich nicht um, bis ich bemerke, dass die Musik leiser wird, bis ich nur noch den Klang meiner eigenen Schritte auf dem Steinboden hören kann. Der Gang gabelt sich erst in zwei Durchgänge, dann in drei. Ich habe keine Ahnung, wohin ich gehe, laufe einfach in derselben Richtung weiter – immer geradeaus –, selbst wenn der Weg eine Kurve macht und wieder zurückzuführen scheint. Mir kommt alles hier bekannt und unbekannt zugleich vor, und ich habe das Gefühl, als befände ich mich wieder in den Untiefen der Fuck Factory .
Plötzlich begradigt sich der Gang. Vor mir dringt Licht aus Bogenöffnungen in den Wänden zu beiden Seiten – immer versetzt, sodass sich nie zwei Eingänge direkt gegenüber befinden – wie die Zimmer auf einem Hotelflur.
Als ich mich dem ersten Durchgang nähere, kann ich wieder dieses Raunen hören, das auch schon den Garten erfüllt hat. Doch diesmal klingt es weniger ätherisch und dafür eindringlicher: so ursprünglich wie das Gebrüll der Menge bei einem sportlichen Ereignis.
Ich schleiche langsam näher an den Durchgang heran und spähe hinein. Die Kammer dahinter ist in etwa so groß wie eine geräumige Garage. Wie in der Grotte sind auch hier die Wände bemalt, diesmal mit einem Interieur, das Fenster und getäfelte Türen und sogar angrenzende Zimmer darstellt. Dadurch entsteht der Eindruck, als wäre der Raum viel tiefer, als er in Wahrheit ist. Ich fühle mich wie in einer Theaterkulisse.
Im Zentrum des Raumes ist ein hölzernes Schafott aufgebaut. An einer Säule in der Mitte hängt auf halber Höhe eine Frau. Sie ist nackt, die Arme sind über dem Kopf gefesselt. Ein Seil wurde ihr um die Taille geschlungen wie ein Korsett. Es verläuft um ihre Brüste und Schultern herum wie ein Büstenhalter und ist vorne in der Mitte ihres Brustkorbes verknotet.
Ihr Körper ist übersät mit blauen Tropfen und Klecksen, als hätte man sie mit Tinte bespritzt. Zwei maskierte Gestalten stehen mit gebeugten Häuptern zu beiden Seiten und halten schwarze Kerzen so groß wie olympische Fackeln, als wollten sie ein Sakrament spenden oder einen Segen sprechen.
Rund um das Gerüst herum vögeln Männer und Frauen in einem animalischen Rausch, ohne meine Anwesenheit überhaupt zu bemerken. Sie alle tragen irgendeine Art von Masken – Karnevalsmasken, Gummimasken, die die Gesichter von Präsidenten, Politikern, Prominenten oder historischen Persönlichkeiten darstellen. Es herrscht eine entfesselte Energie im Raum, entflammbar wie Phosphor. Der Geruch ist überwältigend.
Ich fühle mich, als stünde ich am Rande meines Traums und sähe hinein, völlig fasziniert von dem Mädchen auf dem Schafott. Man hält ihr eine Kerze an die Brust. Wachs tropft auf einen Nippel und überzieht ihn wie mit einer Glasur. Als es sich auf ihrem Körper sammelt, fängt sie an, die Hüften zu bewegen und mit dem Becken zu kreisen – so wie wenn man ganz dringend pinkeln muss und weit und breit keine Toilette in Sicht ist. Ihre Knie sind
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