Die Juliette Society: Roman (German Edition)
Politiker, der nicht mit einem Mord durchkommen würde. Auftragsmorde sind einer der Vorzüge dieses Berufsstands, und DeVille hat es dabei wahrhaft zur Perfektion gebracht.
Für mich ist er jetzt bloß noch DeVille. Nicht mehr Bob. Das hört sich zu persönlich an. Ein bisschen zu vertraulich. Jetzt wo ich weiß, was ich weiß, ändert es alles. Ihn Bob zu nennen, wäre ein bisschen so, als wäre ich auf Du und Du mit dem Hillside-Würger.
DeVille steht auf dem Podium, hat die Hand zum Victoryzeichen erhoben und ein Colgate-Grinsen im Gesicht. Er hat den Arm um Genas Taille gelegt und bereitet sich schon auf seine Siegesrede vor. Aalglatt und selbstgefällig. Er trägt ein beschissenes Halstuch. Wahrscheinlich bin ich der einzige Mensch, dem das auffällt und der weiß, warum. Er trägt es, um seine Fickflecken zu verbergen. Um sein schmutziges, kleines Geheimnis zu bewahren.
Gena zeigt wahllos auf Leute im Publikum und macht dabei dasselbe Gesicht wie Hillary Clinton bei Wahlveranstaltungen. Sie gafft überrascht, als könne sie es nicht glauben, und winkt wie wild irgendwelchen Leuten in der Menge zu, als hätte sie gerade ein lang vermisstes Familienmitglied wiedergesehen – sie tut so, als würde sie sie kennen. Gena macht das, weil sie davon überzeugt ist, dass sie dem Status »First Lady« mal wieder einen Schritt nähergekommen ist und besser damit anfängt, auch so auszusehen.
Die DeVilles ziehen ihre Show vor einer aufgekratzten Menge ab, die mit Bussen von außerhalb herangekarrt wurde, damit der Saal gefüllt wird und es so aussieht, als begeistere der angehende Senator eine schwindelerregend große Wählerschaft, auch wenn er womöglich die schlechtesten Ergebnisse in der Geschichte des Bundesstaats erzielt hat.
Und sie bieten eine gute Show. Man würde nie darauf kommen, dass sie irgendetwas anderes sein könnten als das, was sie auf dieser Bühne darstellen: das durch und durch amerikanische Traumpaar, das sich liebt, treu und bei bester Gesundheit ist.
Als die Kamera in die Totale geht, sodass die gesamte Bühne zu sehen ist, erkenne ich Jack, der zusammen mit dem kompletten DeVille-Team an der Seite steht. Und nichts könnte mir diesen besonderen Moment verderben, denn ich bin unheimlich stolz auf Jack. Wirklich.
Auch wenn ich mich über seinen Erfolg gewissermaßen nur unter Vorbehalt freuen kann, denn nun kenne ich den wahren DeVille, nicht das Politikerklischee, das im Fernsehen sagt, er wolle den Wählern »sein wahres Ich« zeigen. Ich weiß, wozu er fähig ist. Ich weiß, welcher Mischpoke er angehört.
Ich stelle mir wieder dieselben Fragen. Was ist Erfahrung wert? Und welchen Preis hat sie?
Meine Erfahrung ist Folgendes wert: Ich verstehe jetzt, was es mit Sex und Macht auf sich hat, was sie miteinander zu tun haben und wie sie sich wechselseitig beeinflussen, wahrscheinlich besser, als es manche Leute in ihrem ganzen Leben begreifen werden. Und ich bin noch so jung. Aber ich werde auch ein Leben lang damit leben müssen. Ich kann nicht behaupten, dass ich darüber glücklich bin. Wenn ich wirklich ehrlich bin, habe ich kein gutes Gefühl dabei, denn ich weiß, dass ich bloß einen Schritt von einem DeVille entfernt bin.
Ich könnte Jack erzählen, was passiert ist. Ich könnte die ganze Sache auffliegen lassen, wenn ich wollte. Aber man hat bloß ein Leben, und auch ich träume von den Dingen, die sich jeder wünscht: Geborgenheit, Familie, Glück, Liebe. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber ich weiß, in welcher Rolle ich mich nicht sehe: in der eines Whistleblowers.
Mein Lebensinstinkt ist viel stärker als mein Wunsch, die Welt zu retten. Ich könnte den Helden spielen, wenn ich wollte, aber möchte ich für den Rest meines Lebens als diese Person bekannt sein? Will ich wirklich mit den Konsequenzen leben? Was würde aus Jack werden? Was würde das für unsere Beziehung bedeuten?
Wenn ich das täte, müsste ich Jack alles erzählen. Und zu diesem Schritt fühle ich mich noch nicht bereit. Manche Dinge sollten besser ungesagt bleiben. Manche Geheimnisse behält man am besten für sich, statt sie aufzudecken. Dieses jedenfalls werde ich für mich behalten müssen. Zumindest vorerst. Aber ich behalte mir das Recht vor, jederzeit meine Meinung zu ändern.
Was würden Sie tun, wenn Sie an meiner Stelle wären?
Denken Sie darüber nach. So einfach ist das nicht, stimmt’s? Es gibt keine einfache Lösung oder Exitstrategie.
Das hier ist kein Hollywoodfilm, in dem am
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