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Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Titel: Die Juliette Society: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasha Grey
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und alle Jalousien sind geschlossen. Ich komme mir vor wie auf einem Filmset. Meine gesamte Wirklichkeit bündelt sich in diesem Haus.
    Die langen Tafeln voll erlesener Speisen erinnern beinahe an ein römisches Gelage. Veuve-Clicquot-Magnumflaschen in Eiskühlern. Silberne Servierschüsseln, bis zum Rand gefüllt mit Belugakaviar. Riesige Platten mit auf Eis gebetteten Meeresfrüchten – Austern, Muscheln und Garnelen. Terrinen voller Foie gras. Und die Leute hier sind von ihrem Reichtum schon so satt und abgestumpft, dass sie nichts davon anrühren. Stoisch wirkende Butler im Frack und schwarzen Augenmasken bewegen sich zwischen den versammelten Gästen hin und her und reichen ihnen Champagner.
    Es ist, als hätte mir jemand eine Tür geöffnet, die mir bisher immer verschlossen war, eine Tür zu einem Ort, von dem ich keine Ahnung hatte, dass er existiert. Warum sollte ich also keinen Blick hineinwerfen, um das alles zu erleben, um zu erfahren, wie das Leben in der verbotenen Zone ist?
    Im Moment fühlt es sich nicht wie eine Orgie an. Alles wirkt eher manierlich und gesittet. Ich fühle mich wie auf einer spießigen Cocktailparty und werfe Anna einen Blick zu, der sagt: »Echt jetzt? Sind wir dafür so weit gefahren? Ist das das Beste, was Bundy zu bieten hat?« Aber gleichzeitig bin ich ziemlich beeindruckt, weil diese Leute hier in einer ganz anderen Liga spielen als Bundy. Einer völlig anderen Liga. Komplett.
    Deshalb sind Anna und ich hier, Bundy und seine skurrile Körperkunst jedoch nicht – er würde hier bloß auffallen wie ein bunter Hund – aber er hat die Mädchen rangeschafft. Anna bewegt sich zwischen diesen Welten mit Anmut und Leichtigkeit. Ihre sexuelle Ausstrahlung verleiht ihr einen Access-All-Areas-Pass und ich bin ihre Begleitung.
    Ich würde Dickie auf um die sechzig schätzen, mindestens, vielleicht auch älter, aber er ist in einem Alter, wo die genaue Zahl keine Rolle mehr spielt und nur noch schwer zu schätzen ist. Dickie hat zurückgekämmte, grau-weiße Haare und einen Körper wie ein Kartoffelsack, pummelig und dellig und bauchlastig. Er trägt eine Zorromaske und einen weißen Satinumhang mit roten Paspelierungen um die Schultern, der an einen Priester erinnert. Ansonsten hat er so gar nichts von einem Priester. Er sieht weniger wie ein Mitglied des Klerus aus, sondern eher wie ein Superheld im Ruhestand mit einem Hang zum Nudismus. Captain Beton.
    Dickie sitzt mit übergeschlagenen Beinen da und redet auf mich ein, klärt mich über die Funktionsweisen von Zement auf. Sein Schwanz und sein Sack hängen schlapp über seinem Schenkel und sehen ungefähr so gelangweilt aus wie ich.
    Freddie ist deutlich jünger, jung genug, um Dickies Sohn sein zu können. Er trägt die Soutane zu Dickies Umhang, als hätten sie sich die Leihgebühr für das Kostüm geteilt und dann eine Münze geworfen, um zu sehen, wer was bekommt.
    Während Dickie labert, überkommt mich eine unsagbare Traurigkeit, aber ich gebe mein Bestes, sie zu verbergen. Ich versuche, interessiert zu wirken und die Konversation aufrechtzuerhalten. Aber ich habe noch nie im Leben jemanden Dickie genannt und auch nicht vor, heute damit anzufangen. Also spreche ich ihn stattdessen mit Richard an.
    Ich sage: »Richard –«
    »Dickie«, korrigiert er nun schon zum dritten oder vierten Mal, »nenn mich Dickie.« Und zum dritten oder vierten Mal tue ich so, als hätte ich ihn nicht gehört.
    »Okay, Richard«, sage ich, »was waren gleich noch mal die Vorteile von High-Slump-Beton?«
    Ich verwende gerade genug Fachchinesisch, um Interesse vorzugaukeln, doch eigentlich sage ich bloß irgendwas, damit er denkt, ich würde ihm zuhören.
    »Die Pumpeigenschaft«, sagt er. »Er lässt sich besser pumpen.«
    »Und schrumpft weniger«, werfe ich ein.
    »Weniger Verformung«, erklärt er. »Er verkrümmt sich nicht und verzieht sich weniger. Wenn du’s hart und aufrecht willst, bleibt er hart und aufrecht.«
    Er zerschneidet die Luft mit einem Karateschlag und stößt ein kehliges Lachen aus.
    »Ich glaube, ich hab’s kapiert«, sage ich.
    Jetzt, da ich das kleinste bisschen Interesse gezeigt habe, und es beinahe so klingt, als wisse ich, wovon ich rede, nimmt Dickie das als Aufforderung, erst richtig loszulegen. Ich schalte ab.
    An der Wand hinter Dickie hängt eine Serie von gerahmten Reproduktionen verblasster, primitiver Zeichnungen, die Männer und Frauen beim Ficken in verschiedensten Gruppierungen zeigen. Ich erkenne sie sofort

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