Die Juliette Society: Roman (German Edition)
nächste. Fächelt, streicht, hebt an. Fächelt, streicht, hebt an.
Sie fahren behutsam mit den Federn über meine Arme, meine Achselhöhlen, meine Brüste, mein Nest. Ich spüre, wie meine Reizempfindlichkeit zunimmt, ich werde mir jeder Faser bewusst, die über meinen Körper tanzt, ahne voraus, wo mich die nächste berühren und welchen Weg sie einschlagen wird.
Die Pfauenfedern ergreifen Besitz von meinem Körper, und alles, was ich sehe, sind ihre schimmernd blauen, rostroten und grünen Augen, die mich streicheln und mich in Trance versetzen. Sie teilen und multiplizieren sich tausendfach und mehr, starren auf mich herunter. Hungrige Augen, die mich verzehren wollen. Und ich begehre es, wie ich noch nie zuvor etwas begehrt habe.
Eine Glocke klingelt. Plötzlich lösen sich die drei Frauen von mir. Im Publikum wird es still. Und ich bin wieder geblendet vom Licht, schwebe darauf zu, in die Geräuschlosigkeit, in die schmale Lücke zwischen Wollen und Sein.
Ein Mann tritt vor mich. Er trägt eine Harlekinsmaske, die an seinen Ohren befestigt ist, sein gesamtes Gesicht bis hinunter zum Mund bedeckt und sich um seinen Kopf herum erstreckt. Sie besteht aus einem Material, das an verbranntes Leder erinnert. Nase, Wangen und Augenhöhlen sind vollständig modelliert – ein Gesicht über dem Gesicht. Sein nackter Oberkörper, die breiten Schultern und kräftigen Arme sind wohldefiniert und schön geformt, wie aus Stein gemeißelt. Das Renaissance-Ideal eines Mannes. Mein Ideal eines Mannes. Doch wie bei den Statuen im Vatikan entzieht sich sein Geschlecht meinem Blick, hängt jedoch wohl mit Absicht direkt vor meinem.
Er tritt näher, und es werden keine Worte gewechselt, keine Blicke, keine Höflichkeiten oder auch nur eine Begrüßung. Kein Vorspiel. Er packt meine Beine knapp über den Fesseln, um sich festzuhalten, lehnt sich zurück, blickt nach unten und stößt zu.
Als er in mich eindringt, geht ein Raunen durchs Publikum, ein Raunen aus vielen Kehlen, und auch wenn ich das Spektakel nicht sehen kann, spüre ich es sehr wohl. Ich spüre, wie ich mich öffne, um ihn aufzunehmen. Ich spüre, dass er einen Teil von mir öffnet, zu dem noch niemand Zugang hatte. Als wäre er mit einem entschlossenen Stoß zu meinem Verlangen vorgedrungen und hätte es befreit. Ich muss an den Bug eines Schiffes denken, das sich seinen Weg durch das Eis bricht. Und ich weiß, das ist erst der Anfang, aber ich frage mich schon jetzt, wie weit ich gehen kann, wie viel ich ertragen kann. Ich will alles.
Der Auftritt eines zweiten Mannes lenkt mich von seinen Stößen ab. Und dann erscheint noch einer und noch einer. Sechs, sieben, acht, neun, sie bilden eine Wand um mich herum. Alle sind maskiert, nackt und erregt. Und da sind noch weitere, die sich hinter ihnen aufgestellt haben.
Diesmal ertönt keine Glocke. Hände schwärmen über meinem Körper aus, begrapschen meine Brüste, meine Beine, ziehen an meinem Mund, patschen in den Schweiß, der sich auf meinem Bauch gesammelt hat. Und die Intensität ihrer Lust erschreckt mich.
Ich frage mich, wer sie sind und woher sie kommen. Ich sehe sie an und stelle mir hinter den Masken die Männer vor, von denen ich allein in meinem Schlafzimmer fantasiert habe. Die Männer, die mich freundlich anlächeln, wenn ich ihnen im Flur meines Wohnhauses begegne, die mich auf der Straße mit ihren Blicken ausziehen oder mich heimlich in der überfüllten U-Bahn anstarren.
Diese Männer sind es, die zu mir kommen, wenn ich mich mitten in der Nacht selbst berühre, wenn meine sexuellen Fantasien sprießen, wenn ich in den tiefsten Teil meines Körpers hineinspüre, als würde ich von ihnen geliebt, wenn ich meine Brüste streichle wie mit der Hand eines anderen. Diese Hände, die sich jetzt auf mich legen, sind die Hände all der Liebhaber, die ich nie hatte und immer wollte. Die Hände des Mannes, der gegenüber wohnt, dessen Berührung ich nie gefühlt habe.
Was ich nicht weiß: Während all das mit mir passiert, ist auch dieser Mann zugegen. Er sitzt in der Menge im Publikum und beobachtet mich. Ich weiß nicht, dass er von einem Freund hierher eingeladen wurde, der sein unbefriedigtes Verlangen gespürt hat und ihm einen unterhaltsamen Abend bescheren wollte. Eine sehr spezielle Art der Abendgestaltung in einem absolut exklusiven Club, zu dem nur die wohlhabendsten Gäste Zutritt haben.
Wie alle anderen trägt auch er eine Maske, um seine Identität zu verschleiern. Sein ursprünglicher
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