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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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diesem Schwebezustand zwischen der Kindheit und der Welt der Erwachsenen, wie sie alle. Er ist kein Erwachsener und kein Kind, lebt gleichsam zwischen der guten und der schlechten Welt. Das empfindet Ábel so intensiv wie ein Geheimnis, von dem nur er allein weiß. Er hat Angst vor dem Schuster, aber manchmal ist ihm, als könne nur der noch helfen. Äußerlich gehört der Schuster zu den Erwachsenen, doch Ábel sieht ihn manchmal so, als sei er verkleidet und trage einen falschen Bart.
    Nie kann er sich entscheiden, ob der Schuster sein Freund ist oder sein Feind. Er arbeitet mit dicken Pinselstrichen. Die Herrenklasse, die Klasse der Armen. Nur wer gesündigt hat, kann sich läutern. Und dann dröhnt seine Stimme oft wie die eines Predigers. Dumpf erfüllt die verwitterte, farblose Stimme des Schusters die Werkstatt.
    »Wie ich schon sagte«, beendet Zakarka unvermittelt seine Rede, »mein Sohn Ernő weilt mit den jungen Herren im Kaffeehaus. Nach allgemeiner Gepflogenheit steht es ihm nun auch zu, in der Öffentlichkeit Lokalitäten aufzusuchen, wo erwachsene Herren verkehren.«
    Er verneigt sich, geht zu seinem Platz zurück und greift sich einen Schuh, als ob niemand in der Werkstatt wäre. Ábel stellt sich neben ihn, sieht ihm eine Weile zu, wie er sich über das Sohlenleder beugt und mit dem Stichel blitzschnell Löcher in den Sohlenrand bohrt.
    Er ist gekommen, um ihm alles zu erzählen, von Tibor, vom Schauspieler, und um angesichts der Gefahr, die ihnen allen droht, seine Hilfe zu erbitten. Jetzt, da er die Drahtperücke des Schusters von oben betrachtet, schreckt er wieder davor zurück, mit ihm zu reden. Was ausgesprochen wird, das lebt. Er grüßt leise, zaghaft, aber der Schuster beachtet ihn nicht mehr.
    Als er die Stufen erreicht, sagt Zakarka noch etwas. Ábel wendet sich überrascht um und sieht, wie der Schuster lacht: »Alle werden wir geläutert«, sagt er und hält den Kneif hoch. Sein Gesicht strahlt.
     
    ~
     
    Möglich, daß wir alle geläutert werden. Ábel schlendert langsam an der Mauer entlang, ziellos, als flaniere er nur. Die Clique wartet gewiß schon auf ihn. In seiner Tasche liegt bleischwer das Spielkartenpäckchen. Der Abend ist warm, beunruhigend warm. Nachmittags muß sanfter Regen gefallen sein, der die Straße mit einem dünnen Film überzogen hat; Wind kommt auf, fegt von den Bergen herunter und trocknet in Minuten die Fahrbahn ab. Dampfige, laue Luft zieht durch die Straßen, wie sie die frisch aufkeimenden Felder in die Stadt schicken, wenn an Frühlingsabenden der Nebel aufsteigt.
    Im April ist er achtzehn geworden. Man hält ihn für jünger. Auf dem Korridor des Gymnasiums, vor dem Konferenzzimmer, hängen die Gruppenphotos der älteren Jahrgänge. Oft hat er davorgestanden und gestaunt, wie sich seine Altersgenossen und auch er im Aussehen von den Vorgängern unterschieden, die zwanzig oder auch nur zehn Jahre vor ihnen die Matura gemacht haben. Fast ausnahmslos stämmige Typen mit jungmännerhaften oder sogar schon männlichen Gesichtern. Einige trugen bereits Schnurrbärte, die man zwirbeln konnte. Daneben wirkten Ábel und seine Freunde wie Kinder, Knaben in kurzen Hosen. Schmächtig, mit unfertigen Gesichtern. Und es war, als hätte jeder Jahrgang, der dem ihren näher kam, sich verfeinert, wäre jünger geworden. Er fand auch das Gruppenbild des Jahrgangs, mit dem sein Vater die Reifeprüfung abgelegt hatte. Kikinday, der Richter, Kronauer, der Regimentsarzt, und Vater, alle schon richtige Erwachsene. Kronauer hatte einen spitzen Oberlippenbart, trug eine Pepitahose und einen Rock nach französischem Schnitt. In der Hand hielt er einen steifen Hut. Auch Vater war männlich, mit kräftigen Schultern. Ein so gut wie fertiger Mann, der sich nur dadurch von dem unterschied, den Ábel kannte, daß er sich noch keinen Bart hatte stehen lassen. Aber man konnte ihn sich auch damals, vor vierundzwanzig Jahren, schon durchaus mit Bart vorstellen. Ábel hat oft überlegt, wie er selbst wohl aussehen würde, wenn er sich einen Bart wachsen ließe, und mußte grinsen. Die Vorstellung war müßig, denn sein Milchgesicht war glatt und weiß, von Barthaaren keine Spur. Auch seine Hände erschienen ihm klein und kindlich. Möglich, daß die Menschheit mit jedem Jahrgang etwas weiter degeneriert. Aber vielleicht ist das die normale Entwicklung. Auch die Japaner sind klein, zart und wirken doch älter.
    Vor zwei Jahren entdeckte er die Bücher. Er las unsystematisch und alles, was

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