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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Truppe in die Stadt gekommen, und er beteuert, daß er davor in der Hauptstadt ein Engagement gehabt habe, doch sei das Theater leider pleite gegangen. Er ist fünfundvierzig, gibt sich aber für fünfunddreißig aus. Die Clique hat ihm das nicht abgenommen, obwohl sie sonst widerspruchslos an seinen Lippen hängt. Beim Theater hat er das Rollenfach eines Tanzkomikers, doch läßt er sich als Ballettmeister titulieren. Die Theatertruppe ist vertraglich verpflichtet, in jeder Saison mit ihren Operettendiven und Bonvivants einige Opernaufführungen auf die Beine zu stellen. Und dabei hatte der Tanzkomiker mit der Truppe die Tanznummern einzustudieren.
    Er ist ein fettleibiger Mensch mit Bauch und Doppelkinn, eine seltsame Erscheinung, selbst unter Tanzkomikern. Das Publikum liebt ihn, weil er in seine Rolle gern lokalen Klatsch einfließen läßt. Erträgt eine kastanienfarbene helle Perücke. Seine Schädelform erinnert an einen Pferdekopf, die Kinnlade springt weit vor, und er ist so kurzsichtig, daß er auf der Bühne nicht einmal die Öffnung des Souffleurkastens wahrnimmt, doch eine Brille trägt er aus Eitelkeit nicht, auch nicht im wirklichen Leben, wie er selbst sagt.
    Sein Name ist Amadé, am Theater wird er als Amadé Volpay geführt. Er spricht stets so, als habe er an einem Knödel zu kauen. In weit und luftig geschnittenen Kleidern, die raffiniert seine Leibesfülle verhüllen, und speziellen Miedern –auf der Bühne pflegt er sich so eng zu schnüren, daß es ihm das Blut in den Kopf treibt –wirkt er nur halb so dick. Als gäbe es zwischen der Welt und ihm nur dieses eine Mißverständnis, eben seine Korpulenz, spricht er ständig darüber. In langen und überzeugenden Vorträgen weist er seinen Bekannten und Freunden nach, daß er gar nicht dick ist. Während er redet und mit Hilfe von Zentimetermaß und medizinischem Zahlenmaterial belegt, daß er tatsächlich schlank wie ein Flamingo ist und eigentlich eine in jeder Beziehung ideale Männerfigur hat, wölbt sich sein Bauch bedrohlich vor, weil er im Übereifer vergessen hat, ihn einzuziehen.
    So schreitet er auch auf der Straße mit Ballettschrittchen dahin, vollführt wahre Spitzentänze. Schwebenden, leichten und kurzen Schrittes trägt er seinen massigen Körper, als wäre gar nichts dabei, ja, als müsse er aufpassen, daß ihn nicht eine Windböe davonweht. Das Doppelkinn ist stets leuchtend hellblau rasiert; niemals hat man ihn unrasiert zu Gesicht bekommen. Diese Fortsetzung des Kinns hat er sich dünn gesalbt, mit Reispuder betupft und wie einen selbständigen Körperteil behutsam im Ausschnitt des umgeschlagenen Kragens gelagert. Von Zeit zu Zeit greift er sich mit seinen sehr weißen, dicken Händchen ans Doppelkinn, wohl um sich davon zu überzeugen, daß es noch am rechten Platz und in Ordnung ist.
    Der Schauspieler hält sich fast den ganzen Tag auf der Straße auf, meist an der stark frequentierten Stelle der Hauptstraße, zwischen Kirche und Kaffeehaus; von dort aus hat er den Nebeneingang des Theaters im Blick. Fast zu jeder Tageszeit ist er hier anzutreffen, auf und ab schlendernd, meist umgeben von Bewunderern, gestenreich schwadronierend. Nur nach dem Mittagessen zieht er sich hinter das mittlere Fenster des Kaffeehauses zurück, wo ihn jeder Vorbeikommende zur Kenntnis nehmen muß und von wo aus auch er jeden sieht. Karten gespielt hat er nie. Und auch nicht getrunken. Den Schauspielerkollegen geht er offenbar aus dem Weg. Seine Kleider strömen einen penetrant süßlichen Zimtgeruch aus. Diese Duftwolke umgibt ihn; auch wer vor ihm geht, kann nicht umhin wahrzunehmen, daß Amadé Volpay naht.
    An den fleischigen Fingern trägt er zwei Ringe, einen Siegelring mit rotem Stein und einen Trauring. Nie hat er geleugnet, daß er Jude und unverheiratet ist. Die Ringe dienen nur der Illusion.
     
    ~
     
    Als der Schauspieler in der Stadt auftauchte, hatte die Clique sich schon zusammengetan. In jeder menschlichen Gemeinschaft gibt es Kristallisationsprozesse, deren Gesetze wir nicht kennen. Eigentlich gingen sie erst seit der vierten in dieselbe Klasse. Ernő war der einzige, der alle acht Klassen an diesem Gymnasium durchgestanden hatte, Béla, der Sohn des Kolonialwarenhändlers, war durch drei Schulen gestolpert und gestrauchelt, bevor er hier landete; ein Jahr hatte er auch in der Hauptstadt verbracht. Er wurde in verschiedenen Internaten erzogen, wo bis zu dreißig Knaben in einem Saal schliefen. Schon als Kind trug er einen Säbel

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