Die Jungfernbraut
sehr vieles sagen, aber er ist in jeder Beziehung ein richtiger Mann. Wirklich ein Jammer, daß er sich nichts aus mir macht — nur aus meinem Geld.«
»Verglichen mit mir ist er eine Niete«, erklärte MacPherson. »Das werde ich Ihnen bald beweisen.«
Sinjun bezweifelte zwar, daß das stimmen könnte, hielt aber ihren Mund, denn schließlich sollte er mit ihr ausreiten und nicht wutschnaubend versuchen, sie vom Pferd zu holen. Wenn sie gezwungen wäre, ihn hier auf seinem eigenen Grund und Boden zu erschießen, wäre sie in keiner beneidenswerten Situation.
Zehn Minuten später war Robert MacPherson von drei Reiterinnen umringt, die ihre Pistolen auf ihn gerichtet hatten. »Ich hatte also doch recht«, sagte er, an Sinjun gewandt.
»Keineswegs. Colin weiß nichts von all dem. Wissen Sie, er ist ein Ehrenmann, der es niemals über sich bringen würde, Sie einfach abzuknallen, wie Sie es verdient hätten. Deshalb haben wir drei beschlossen, ihm diese schwere Bürde abzunehmen. Ich kann einfach nicht dulden, daß Sie noch einmal versuchen, ihn zu töten, wie in London oder in Edinburgh. Außerdem hätten Sie nicht die Katen unserer Pächter niederbrennen und die Männer umbringen dürfen. Jetzt werden Sie für Ihre Verbrechen bezahlen, und ich werde sehr erleichtert sein, sobald ich Sie in weiter Ferne weiß. Übrigens hat mein Mann Ihre Schwester nicht ermordet. Wie können Sie glauben, daß er einer Frau — und gar noch seiner eigenen Frau — etwas zuleide täte, nachdem er es nicht einmal über sich bringt, einen erbärmlichen Wicht wie Sie zu beseitigen?«
»Sie hat ihn gelangweilt. Er hatte genug von ihr.«
»Ein durchaus einleuchtendes Argument, denn Sie langweilen mich nach nur zwei kurzen Begegnungen derart, daß ich durchaus versucht wäre, Sie von einem Felsen zu stoßen. Aber ich werde es nicht tun, obwohl Sie nicht nur ein schrecklicher Langweiler, sondern auch noch ein Prahlhans und ein ehrloser Geselle sind. Ich weiß von Colin, daß Ihr Vater ein anständiger Mensch ist, und ich möchte dem alten Herrn keinen unnötigen Schmerz bereiten. So, Alex und Sophie, ich habe alles gesagt, was ich auf dem Herzen hatte. Sollen wir ihn jetzt auf sein Pferd binden?«
Colin war zuerst völlig verwirrt, wurde dann aber so wütend, daß er Gift und Galle spucken und gleichzeitig laut fluchen wollte, was nicht leicht zu bewerkstelligen war.
Er stand vor seinem Sohn und sagte mit gefährlich ruhiger Stimme: »Soll das heißen, daß deine Stiefmutter und deine beiden Tanten irgendwo herumreiten?«
»Das hat Sinjun gesagt, Papa. Sie sagte, sie fühle sich großartig und wolle den beiden ein bißchen die Gegend zeigen. Ich habe sie gefragt, wo du seist und ... ich glaube, sie hat mir nicht die Wahrheit gesagt.«
»Gelogen hat sie, das meinst du wohl? Verdammt, ich werde sie verprügeln, ich werde sie im Schlafzimmer einsperren, ich werde . . .«
Dr. Childress berührte ihn am Ärmel. »Was ist los, Mylord? Hat die Gräfin doch keinen Rückfall erlitten?«
»Meine Frau«, knurrte Colin zwischen den Zähnen hindurch, »hat sich krank gestellt, um ungehindert ausreiten zu können. Was mag sie nur im Schilde führen?«
Nach kurzem Nachdenken schlug er sich an die Stirn. »Wie konnte ich nur ein solcher Hornochse sein?«
Er drehte sich auf dem Absatz um und rannte auf Gulliver zu, der zufrieden an Tante Arleths weißen Rosen neben der Freitreppe knabberte.
»Ich befürchte, daß meine Mutter meinen Vater in Wut gebracht hat«, erklärte Philip dem Arzt. »Ich glaube, ich sollte ihm folgen, um sie zu beschützen.« Und Philip stürmte seinem Vater nach.
Dr. Childress blickte ihnen kopfschüttelnd nach. Er kannte Colin von Geburt an, und er hatte miterlebt, wie der Junge zu einem aufrechten und stolzen Mann herangewachsen war. Zum Glück war es weder Colins Vater noch seinem älteren Bruder gelungen, seinen Charakter zu verderben. Nachdenklich murmelte der alte Herr vor sich hin: »Die junge Dame hat wohl einen Tiger gereizt.«
Der Tiger hielt erst an, als St.Monance Castle, das Schloß der MacPhersons, in Sicht kam. Gulliver atmete schwer, und während Colin im Schutz einiger Kiefern verweilte, tätschelte er seinem Hengst liebevoll den Hals. »Du bist ein braver Junge, Gull! Ich schwöre dir, daß meine Frau es bald bedauern wird, uns soviel Ärger bereitet zu haben. Stell dir vor, Ostle liegt angeblich krank im Bett. Findest du das glaubhaft? Ich jedenfalls nicht. Und dann hatte dieses Weib auch noch die
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