Die Jungfernbraut
dichten, lockigen Haares zu spielen.
Sinjun hatte geglaubt, er würde wie ein Irrer toben. Seine Ruhe war ihr unheimlich und verunsicherte sie. Ihr fiel beim besten Willen keine einzige geistreiche Bemerkung ein.
»Wie liebreizend du aussiehst«, sagte er nach kurzer Zeit. »So sauber und gepflegt, und du hast auch keinen Pferdegeruch an dir, nicht die geringste Spur.«
»Wir sind nur ganz kurz ausgeritten, weil ich schnell müde wurde.«
»Das kann ich mir vorstellen. Armer Schatz, bist du sicher, daß es dir besser geht? Brauche ich wirklich nicht zu befürchten, daß du einen Rückfall erleidest?«
»O nein, Colin, ich fühle mich großartig. Aber es ist nett, daß du dir Sorgen um mich machst.«
»Nicht wahr? Und jetzt will ich sofort von dir die Wahrheit hören. Ich warne dich — wenn du lügst, werde ich dich bestrafen.«
»Bestrafen? Eine solche Drohung hört sich wirklich nicht freundlich an.«
»Ich fühle mich im Augenblick auch gar nicht zivilisiert, sondern wie ein Wilder. Sag mir alles, Joan. Sofort.« Seine Stimme war so ruhig und leise, aber der Klang .. . O Gott, gefährlicher als Douglas oder Ryder konnte er doch wohl unmöglich sein?
Sinjun warf ihren Schwägerinnen einen flehenden Blick zu, und Sophie eilte ihr tatsächlich sofort zu Hilfe. »Du lieber Himmel, Colin, wir sind nur ein bißchen ausgeritten. Dann fühlte sich Sinjun ziemlich schwach, und wir haben sofort kehrtgemacht und sie dann ins Bett gebracht. Du wirst uns deshalb doch nicht böse sein?«
»Du lügst, Sophie«, erwiderte Colin liebenswürdig. »Leider bin ich nicht dein Mann und kann dich deshalb auch nicht verprügeln, aber diese Unschuld vom Lande ist meine Ehefrau, und sie hat mir zu gehorchen. Bis jetzt kann davon leider keine Rede sein. Sie wird aber lernen müssen, daß . . .«
Alex griff sich plötzlich laut stöhnend an den Magen und sprang heftig auf. O Gott! Sinjun, gleich wird mir schlecht!«
Colin wußte ihr schauspielerisches Talent zu schätzen und klatschte Beifall. »Bravo!« rief er spöttisch. »Sehr überzeugend.«
Alex fiel auf die Knie und übergab sich auf den frisch gereinigten Aubosson-Teppich.
KAPITEL 17
»Sie hat sich ständig übergeben, als sie mit den Zwillingen schwanger war«, berichtete Sinjun, während sie Anstalten machte aufzustehen. »In den ersten drei Monaten waren alle Bedienten damit beschäftigt, Nachttöpfe bereitzustellen.«
»Nein, bleib liegen«, befahl Colin seiner Frau und ging auf Alex zu, die nun nichts mehr im Magen hatte und nach Luft rang. Er packte sie unter den Achseln, zog sie hoch, warf einen Blick auf ihr bleiches Gesicht und die verschwitzten Haare und nahm sie auf die Arme. »Du fühlst dich hundsmiserabel, stimmt's? Das tut mir sehr leid, aber es wird dir bestimmt bald wieder besser gehen.«
Seufzend vergrub Alex ihr Gesicht an seiner Schulter.
»Hol Wasser und ein Handtuch, Sophie«, sagte Colin, während er Alex neben Sinjun aufs Bett legte.
»Ein wahres Glück, daß sie nicht viel gefrühstückt hat«, meinte Sinjun. »Arme Alex, geht es dir wieder etwas besser?«
»Nein«, stöhnte Alex, »aber hör bitte auf, mich >arme Alex< zu nennen, sonst fühle ich mich wie eine gichtgeplagte alte Jungfer.«
Sophie informierte die Dienstboten über das Mißgeschick, worauf nicht nur Emma, sondern auch zwei andere Mägde sich mit weit aufgerissenen Augen die Bescherung ansahen. Sophie brachte ein nasses Handtuch herbei, Mrs. Seton folgte ihr mit einer Schüssel kalten Wassers dicht auf den Fersen, und Rory, der Lakai, versuchte ebenfalls einen Blick auf die Vorgänge im Schlafzimmer zu werfen.
»Hier, trink das.« Colin hielt seiner Schwägerin ein Glas Wasser an die Lippen, und sie trank gehorsam, griff sich aber gleich darauf wieder stöhnend an den Magen.
»Wasser hat ihr auch während der ersten Schwangerschaft manchmal Krämpfe verursacht«, sagte Sinjun. »Mrs. Seton, was wir brauchen, ist heißer Tee.«
»Armes kleines Ding«, murmelte Mrs. Seton, während sie behutsam Alex' Gesicht abwischte, »ja, ja, die Schwangerschaft ist nun mal keine ungetrübte Freude.«
Alex stöhnte wieder, und Sophie verkündete: »Ich hatte keinerlei Beschwerden, nicht die geringsten.«
»Halt den Mund, Sophie«, knurrte Alex sie an. »Zuerst warst du zu dünn, um Ryder über unseren Aufenthalt zu informieren, und jetzt prahlst du auch noch mit deinem Wohlbefinden, während ich mich sterbenselend fühle.«
»Reg dich nicht auf.« Colin nahm Mrs. Seton das feuchte
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