Die Jungfernbraut
und auch ein klein wenig nach Bohnerwachs und Zitrone. Jetzt war er auf seine Frau nicht mehr wütend, nein, er war ihr zutiefst dankbar. Wahrscheinlich würden diese Gerüche ihn schon bald nicht mehr an seine Mutter, sondern an Joan erinnern.
Ich liebe dich.
Im Grunde hatte er schon lange gewußt, daß sie ihn liebte, obwohl es ihm schwerfiel, an Liebe auf den ersten Blick zu glauben. Aber sie hatte von Anfang an seine Partei ergriffen. Sie war in ihrem Glauben an ihn niemals schwankend geworden. Sogar wenn sie gestritten hatten, hatte er stets gewußt, daß sie für ihn durchs Feuer gehen würde.
Es war demütigend.
Er hatte unglaubliches Glück gehabt. Er hatte nicht nur seine reiche Erbin, sondern auch eine wunderbare Mutter für seine Kinder bekommen — und eine prachtvolle Frau, auch wenn sie eigensinnig und viel zu impulsiv war.
Die düsteren schwarzen Wolken über Vere Castle lösten sich endlich auf — aber er hatte immer noch einen unbekannten Feind. Vielleicht hätte er den Namen aus Robert MacPherson herausprügeln sollen. Joan hätte ihn mit Sicherheit nicht daran gehindert. Wahrscheinlich hätte sie sogar selbst zuschlagen wollen.
Bei diesem Gedanken mußte er grinsen. Sie war blutrünstig, wenn es um seine Sicherheit ging. Dann dachte er an Tante Arleth, die den Verstand verloren hatte, ohne daß es ihm aufgefallen wäre. Wegen seiner Blindheit hätte Joan sterben können. Arleth hatte sogar ganz offen zugegeben, daß sie der kleinen Nutte, wie sie Joan nannte, den Tod wünschte, damit im Schloß wieder Ruhe einkehrte und sie selbst das Regiment führen konnte.
Aber sie hatte MacPherson nicht aufgehetzt, dessen war er ganz sicher. Seufzend öffnete er die Augen, als er Schritte auf der Treppe hörte, Dann erkannte er die leichten Schritte, setzte sich aufrecht hin und nahm sein Buch wieder zur Hand.
Als Joan das Zimmer betrat, fiel ihm sofort auf, daß sie Schweißtropfen auf der Stirn hatte und schwer atmete. Er erhob sich rasch und ging ihr entgegen. »Komm, setz dich hin und erhol dich ein bißchen. Du darfst noch nicht wieder die wilde Amazone spielen.«
Sie ließ sich auf den Stuhl fallen. »Es ist deprimierend, wenn man beim Treppensteigen aus der Puste kommt. Ich hatte plötzlich das Bedürfnis nach etwas Ruhe. Du auch?«
»Ja, aber ich freue ich, daß du hier bist.«
Sie holte tief Luft. »Ich bin aus einem bestimmten Grund hergekommen.«
»Du willst wissen, was bei dem Gespräch mit Tante Arleth herausgekommen ist, stimmt's?«
»Eigentlich nicht, denn wenn sie Robbies Informationsquelle gewesen wäre, hättest du mich bestimmt sofort aufgesucht. Nein, es geht um etwas ganz anderes, aber das kann warten. Was liest du?«
Er reichte ihr das Buch. »Danke, daß du versucht hast, es zu reparieren. Es hat meinem Großvater gehört, und er hat mir oft daraus vorgelesen. Chesterfields Letters to His Son. Ich finde, es wird langsam Zeit, daß ich diese Briefe über Mythologie und Geschichte Philip vorlese.«
»Chesterfields Sohn hieß auch Philip. Ist das nicht ein seltsamer Zufall? Douglas hatte mir Chesterfield nicht als Lektüre empfohlen, aber ich habe ihn sehr schnell selbst entdeckt. Der Ärmste war unglücklich verheiratet und hatte deshalb eine schlechte Meinung von Frauen, aber Douglas sagte, ich solle mir nichts daraus machen, weil Chesterfield ja nicht das Glück gehabt habe, mich zu kennen. Ah, das hier ist eine meiner Lieblingsstellen: >Trag dein Wissen genausowenig zur Schau wie deine Taschenuhr . . . Vermeide es vor allem nach Möglichkeit, über dich selbst zu sprechen.«
Er starrte sie sprachlos an und fragte sich, ob sie ihm wohl ein Leben lang immer neue Überraschungen bescheren würde.
»Meine eigenen Bücher liegen noch in den Kisten«, berichtete sie. »Ich hatte bisher keine Zeit, sie auszupacken.« Sie warf ihm einen unsicheren Blick zu. »Außerdem wußte ich nicht, wo ich sie aufstellen darf.«
Colin kam sich plötzlich wie ein schrecklicher Egoist vor. Eine sanftmütigere Frau als Joan hätte er vermutlich völlig unterjocht und terrorisiert. Und sogar dieses kühne Geschöpf war verunsichert, und das wegen einer Bagatelle!
»Du weißt ja«, sagte er lächelnd, »daß es im Schloß viele leerstehende Räume gibt. Du kannst jeden davon als Privatbibliothek einrichten. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn du bereit wärest, deine Bücher hier im Turmzimmer unterzubringen.«
Sie sprang auf und warf sich strahlend in seine Arme. »O Colin, ich liebe dich
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