Die Jungfernbraut
einverstanden bist, könnte er auch mir beibringen, wie man so richtig fies kämpft. Jeremy war nicht viel älter als ich, als er es ihm beigebracht hat. Bitte, Papa, erlaubst du es?«
»Onkel Ryder und Onkel Douglas!« knurrte Colin. »Ich mache dir einen Vorschlag, Philip. Dein Onkel Ryder und ich werden mit allen möglichen fiesen Tricks gegeneinander kämpfen, und wer gewinnt, darf es dir beibringen. Einverstanden?«
Philip, nicht dumm, erwiderte: »Vielleicht wäre es am besten, wenn ihr es mir beide beibringt.«
»Er sollte Diplomat werden«, sagte Colin grinsend zu seiner Frau und umarmte seinen Sohn. »Deine beiden Onkel und ich werden das alles besprechen. Und du solltest dich jetzt ausruhen, Joan.«
»Oh, Papa, Sinjun bringt mir das Bogenschießen bei, aber da ist noch das Fechten. MacDuff hat uns einige Stunden gegeben, aber er mußte zu schnell wieder fort. Du wirst uns doch Unterricht geben, Papa?«
»Joan hat zusammen mit dir Fechtunterricht bei MacDuff genommen?«
»O ja, und ich muß weitermachen, damit Philip mich nicht abhängt.«
»Ich wußte gar nicht, daß du so vielseitig begabt bist«, kommentierte er säuerlich.
Sie neigte grinsend den Kopf zur Seite. »Du hörst dich jetzt genauso wie Douglas und Ryder an, wenn ich irgend etwas besser kann als sie. Sie selbst haben mir Pistolen-und Bogenschießen ebenso beigebracht wie Reiten und Schwimmen, aber sie sind beleidigt, sobald ich es auf irgendeinem Gebiet zur Meisterschaft bringe.«
»Das ist natürlich sehr unvernünftig. Ein Mann liebt es normalerweise sehr, wenn seine Frau seine Hosen anzieht und davonreitet, um gegen seine Feinde zu kämpfen, während er selbst überhaupt nichts zu tun und zu sagen hat.«
»Ich glaube, es geht dabei nicht nur um Ehefrauen, sondern um Frauen allgemein. Männer müssen sich offenbar ständig bestätigen, daß sie die Stärkeren sind.«
»Trotz all deines Wagemuts, deines erschreckenden Einfallsreichtums und deiner rührenden Sorge um mein Wohlergehen bist du schwächer als ich. Jeder Mann, sogar ein Dummkopf, könnte dich verletzen, und deshalb haben wir Männer die Pflicht, unsere Frauen und Kinder zu beschützen. Glaub mir, wir sind mitunter ganz nützlich.«
»Ha! Du weißt genau, daß das Unsinn ist, Colin. Wir leben schließlich nicht mehr im Mittelalter, als Räuber das ganze Land unsicher machten.«
»Worüber streitet ihr eigentlich?« Philip blickte von Sinjun zu seinem Vater. »Ihr habt beide recht. Auch Jungen können nützlich sein. Bin ich nicht nach Edinburgh geritten, um dich zu holen, Papa? Ohne mich wäre Sinjun vielleicht gestorben.«
Sie tauschten über Philips Kopf hinweg einen Blick. Sinjun grinste. Colin fragte: »Du glaubst also, daß jedes Familienmitglied seinen Teil beisteuern sollte? Daß jeder gelegentlich die Möglichkeit haben sollte, ein Held zu sein?«
»Das würde bedeuten, daß sogar Dahling eine Chance bekäme«, murmelte Philip nachdenklich. »Was meinst du, Sinjun?«
»Ich glaube, deinem Vater ist jetzt endlich ein Licht aufgegangen.«
»Schluß jetzt, Philip. Nimmst du Joans Entschuldigung an?«
»Sie heißt Sinjun, Papa. Ja, ich nehme deine Entschuldigung an, Sinjun. Du würdest für Papa alles tun, und deshalb kann ich dir nicht böse sein.«
»Danke«, sagte sie demütig.
Gleich darauf verließen Vater und Sohn zusammen das Frühstückszimmer, und Colin beugte sich zu Philip hinab, um zu hören, was der Junge sagte. Sinjun blickte ihnen nach, und ihre Liebe war so groß, daß es fast schmerzte.
Wer zum Teufel hatte Robert MacPherson eingeredet, daß Colin der Mörder seiner Frau Fiona war?
Der Spätnachmittag war kühl, aber der Himmel war klar — Sherbrooke-blau, hatte Sophie zu ihrem Mann gesagt und ihn sodann leidenschaftlich geküßt.
Colin hatte plötzlich das Bedürfnis gehabt, eine Weile allein zu sein. Jetzt betrachtete er mit gerunzelter Stirn die Stockflecken auf dem Buch, das er in der Hand hielt. Es war nicht zu übersehen, daß das Buch gesäubert und der Einband eingeölt worden war, aber die Flecken waren vor langer Zeit entstanden und ließen sich nicht mehr entfernen. Natürlich war es Joan gewesen, die sich seiner Bücher angenommen hatte, aber erst jetzt fiel ihm auf, wie behutsam und respektvoll sie mit seiner Bibliothek umgegangen war. Er setzte sich an den Schreibtisch, verschränkte die Arme über dem Kopf, lehnte sich im Stuhl zurück und schloß die Augen.
In seinem Turmzimmer roch es nach frischem Heidekraut und Rosen
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