Die Jungfernbraut
gut, Alex, ich gebe zu, daß es in den meisten Familien seltsame Gestalten gibt«, grinste Douglas. »Aber Serena ... ich weiß nicht, Colin ... sie kommt mir so ... so unwirklich vor. Nicht verrückt, das nicht, aber ganz normal auch nicht.«
»Sie steht nie mit beiden Füßen auf der Erde, und sie redet sich gern ein, sie wäre eine Hexe. Deshalb befaßt sie sich seit Jahren intensiv mit Pflanzen und Kräutern.«
»Aber du glaubst nicht, daß sie ihre Schwester ermordet und dich betäubt hat?« fragte Sinjun.
»Nein, obwohl Douglas natürlich recht hat — sie ist nicht ganz normal. Aber Fiona hat ihre Schwester vergöttert und darauf bestanden, daß Serena hier bei uns leben sollte, obwohl ich davon nicht begeistert war.«
»Hat sie versucht, dich in Gegenwart ihrer Schwester zu küssen?«
»Nein, Alex, damit hat sie erst begonnen, als Joan ins Haus kam. Seitdem lauerte sie mir ständig irgendwo auf.«
»Es wäre wirklich nicht schlecht, etwas mehr Klarheit in diese ganze Angelegenheit zu bringen«, meinte Douglas.
»Vielleicht sollten wir Dahling zu Hilfe rufen«, sagte Sinjun. »Sie hat ihre eigenen ausgeprägten Ansichten über alles und jeden.«
»Joan«, rief Colin plötzlich stirnrunzelnd, »du hast ja gar nichts gegessen. Das geht nicht. Ich muß darauf bestehen, daß du wieder zu Kräften kommst. Philpot, bitte eine große Portion für meine Frau.«
Sinjuns Brüder tauschten Blicke mit ihren Frauen und brachen in fröhliches Gelächter aus. Colin blinzelte erstaunt und errötete sodann zu Sinjuns großer Freude.
Colin, der seit Wochen zur Enthaltsamkeit gezwungen war, hatte keine Mühe, seine Frau vor dem Einschlafen noch einmal zu befriedigen, und Sinjun, die nach wochenlangen Ängsten endlich den Sinnenrausch kennengelernt hatte, konnte nun nicht genug geliebt werden.
Beide schliefen danach tief und fest, bis Sinjun abrupt wach wurde und mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit starrte.
Ein weiches Licht hob sich davon ab, und die unzähligen Perlen am Brokatkleid schimmerten geheimnisvoll. Sinjun wußte sofort, daß Perlen-Jane verstört war.
»Schnell, Tante Arleths Zimmer!«
Die Worte hallten Sinjun in den Ohren, so laut, daß sie nicht verstehen konnte, warum Colin nicht aus dem Schlaf fuhr.
Dann verschwand Perlen-Jane von einer Sekunde auf die andere, und Sinjun schüttelte ihren Mann, während sie schon die Decken zurückwarf.
»Colin!« schrie sie, während sie hastig in ihr Nachthemd schlüpfte.
Schlaftrunken fragte er: »Was ist denn, Joan? Ist etwas passiert?«
»Beeil dich, es ist Tante Arleth!«
Sie stürzte aus dem Zimmer, ohne sich die Zeit zu nehmen, eine Kerze anzuzünden.
Während sie den Korridor hinabrannte, rief sie nach ihren Brüdern, verlor aber keine Sekunde damit, an die Türen der Gästezimmer zu hämmern.
Sie riß die Tür von Tante Arleths Schlafzimmer auf und blieb, zur Salzsäule erstarrt, stehen. Tante Arleth baumelte an einem Strick, der am Kronleuchter befestigt war, und ihre Füße waren einen knappen halben Meter vom Boden entfernt.
»O nein!«
»Mein Gott!«
Colin schob sie beiseite, stürzte ins Zimmer und hob Tante Arleth an den Beinen an, damit der Strick ihr nicht mehr den Hals abschnürte.
Gleich darauf drängten auch Douglas, Ryder, Sophie und Alex ins Zimmer, und Colin schrie über die Schulter hinweg: »Schnell, schneidet den verdammten Strick durch! Vielleicht ist es noch nicht zu spät.«
Weil kein Messer zu finden war, stieg Douglas auf einen Stuhl, um den Knoten unter dem Kandelaber zu lösen. Er brauchte dazu nicht allzu lange, aber den anderen kam es wie eine Ewigkeit vor, bis Colin die Frau endlich zum Bett tragen und von dem Strick befreien konnte.
Er legte seine Finger auf ihre Halsschlagader, er klopfte ihr kräftig auf die Wangen, er massierte ihre Arme und Beine, er schüttelte sie, aber sie reagierte nicht darauf.
Schließlich richtete er sich auf. »Sie ist tot«, murmelte er. »Mein Gott, sie ist tot.«
»Ich wußte, daß sie tot sein würde«, ertönte Serenas melodische Stimme von der Schwelle. »Der Kelpie-Geliebte deiner Mutter hat Arleth geholt, weil sie Joan über deine Abstammung informiert hat. O ja, der Kelpie war dein Vater, Colin, und jetzt ist Arleth tot, und das hat sie auch verdient.«
Sie wandte sich mit wehendem Nachthemd zum Gehen, blieb dann aber noch einmal stehen und rief über die Schulter hinweg: »Ich glaube nicht an diesen Kelpie-Unsinn. Ich weiß wirklich nicht, warum ich das gesagt
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