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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sie nicht in Versuchung führen. Sie können nämlich sogar in nur zehn Minuten sämtliche Anstandsregeln vergessen.«
    Waren alle Sherbrookes — sogar die angeheirateten — total verrückt?
    »Es freut mich, Ihre Schwägerin so zum Lachen gebracht zu haben«, sagte er gereizt. »Und wenn ich die Hände von Ihnen lassen soll, müssen Sie aufhören, meinen Mund anzustarren.«
    »Ich kann einfach nicht anders. Sie sind so wunderschön. O Gott, wir haben nur noch zehn Minuten Zeit!«
    Colin sprang auf und begann, wie zuvor Douglas, hin und her zu laufen. »Das alles ist höchst ungewöhnlich, Joan.« Er steuerte auf den Kamin zu. »Und in Zukunft werde ich selbst für mich sprechen.« Aber was wollte er eigentlich sagen? Er starrte den teuren, von Meistern ihres Fachs gebauten Kamin aus hellrosa italienischem Marmor an und sah im Geiste den riesigen rußgeschwärzten Kamin in der großen Halle von Vere Castle, alt und schmutzig, mit rissigen Ziegelsteinen und bröckelndem Mörtel. Himmel, und hier war sogar das Gemälde — eine Schäferszene — über dem Kamin ein alter Meister. Alles legte beredtes Zeugnis von solidem Reichtum und jahrhundertealten Privilegien ab. Er dachte an die schmale Wendeltreppe im Nordturm, deren Holzstufen allmählich vermoderten, weil durch die Risse in den Mauern Kälte und Feuchtigkeit eindrang. Dann holte er tief Luft. Er könnte Vere Castle retten. Er könnte seine Leute retten. Er könnte neue Schafe kaufen. Er könnte sein immenses Wissen über den Fruchtwechsel endlich in die Tat Umsetzern Er könnte Korn kaufen. Was gab es da noch zu überlegen? Er wirbelte auf dem Absatz herum und blickte seiner zukünftigen Frau in die Augen. »Ich akzeptiere es, daß Sie mich schön finden. Wahrscheinlich wünscht sich jeder Mann, daß die Frau, die er heiratet, ihn halbwegs passabel findet.«
    »Mehr als passabel«, sagte Sinjun mit rasendem Herzklopfen. Endlich hatte er sie akzeptiert. Am liebsten hätte sie wilde Freudensprünge gemacht.
    Seufzend fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare, bis die Spitzen hochstanden, ließ aber die Hand sinken, als sie mit verwunderter Stimme gestand: »Ich habe nie geglaubt, daß ich mich verlieben könnte. Kein Mann hat in mir je irgendwelche Gefühle geweckt. Einige fand ich ganz amüsant, aber das war auch schon alles. Andere waren dumm und ungehobelt und ohne Rückgrat. Einige hielten mich für einen Blaustrumpf, nur weil ich keine Ignorantin bin. Ich konnte mir nicht vorstellen, von einem dieser Männer geküßt zu werden, und wenn einer es gewagt hätte, mein Gesäß auch nur zu berühren, hätte ich gekreischt und ihn auf der Stelle umgebracht. Aber bei Ihnen ist das alles ganz anders. Ich weiß natürlich, daß Sie mich nicht lieben, aber das macht mir nichts aus. Ich werde mein Bestes tun, damit Sie mich schätzen lernen. Jedenfalls werde ich versuchen, Ihnen eine gute Ehefrau zu sein. Möchten Sie jetzt vielleicht Mrs. Potters Gebäck probieren, oder wollen Sie lieber gleich gehen und irgendwo in Ruhe nachdenken?«
    »Nachdenken«, sagte er. »Es gibt soviel, was Sie über mich nicht wissen. Jetzt könnten Sie Ihren Entschluß noch ohne weiteres ändern.«
    Sie sah ihn nachdenklich an und fragte ganz ruhig und überzeugt: »Sie werden doch für mich sorgen, wenn wir heiraten, nicht wahr?«
    »Ich werde Sie mit meinem Leben beschützen. Das ist meine Pflicht und Schuldigkeit.«
    »Und Sie würden mich respektieren?«
    »Wenn Sie Respekt verdienen.«
    »Großartig. Nun, Sie können mir nach der Hochzeit alles über sich erzählen, wenn Sie wollen. Aber nicht vorher. Nichts, was Sie mir sagen könnten, würde etwas an meinen Gefühlen ändern. Ich möchte nur nicht, daß irgend etwas Negatives und völlig Unwichtiges Douglas zu Ohren kommt, bevor wir verheiratet sind.«
    Er würde sie heiraten. Seine finanzielle Lage ließ ihm gar keine andere Wahl. Aber er fand sie auch sympathisch, trotz ihrer beängstigenden Offenheit, ihres schockierenden Freimuts. Im Laufe der Zeit würde er ihr beibringen, ihre Zunge etwas im Zaume zu halten. Mit ihr zu schlafen würde ihm jedenfalls keine Schwierigkeiten bereiten. O ja, er würde sie heiraten. Aber er mußte die Woche warten, die ihr Bruder ihnen als Bedenkzeit auferlegt hatte. Danach durfte er jedoch keine Zeit verlieren, denn die Situation bei ihm zu Hause verschlimmerte sich mit jedem Tag. Joan Sherbrooke war ein Geschenk des Himmels, und sie hatte sich ihm sogar selbst auf einem Silbertablett

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