Die Jungfernbraut
bemängeln ist.«
Ende des Aufzugs, dachte Colin, mit zwei Frauen als unangefochtenen Heldinnen. Er folgte Joan Sherbrooke ohne ein Wort des Widerspruchs, und er sah aus dem Augenwinkel, daß der Graf genauso demütig seiner gestrengen Gemahlin folgte. Das kleine Persönchen hatte die Schultern gestrafft und reckte das Kinn wie ein General.
Colin Kinross, siebter Earl of Ashburnham, hatte das Gefühl, in einem bizarren Traum gefangen zu sein. Es war kein Alptraum, aber ein seltsamer Traum. Er betrachtete die bräunlich-blonde Haarmähne seiner Beschützerin, die ihr jetzt offen über den Rücken fiel, weil sie im Getümmel ihre Haarnadeln verloren hatte, und er fragte sich, was wohl mit ihrem Reithut passiert sein mochte. Ihre Haare waren lang und dicht, wirklich schön. Sie war überhaupt attraktiv, gar kein Zweifel, und sie zu küssen war ein Genuß gewesen.
Diese Einmischung aber konnte er einfach nicht dulden. Ein Kampf wurde zwischen zwei Männern ausgetragen. Damen hatten dabei nichts zu sagen. Nein, eine solche Einmischung und Bevormundung würde er nie wieder zulassen.
KAPITEL 3
»Jetzt reicht's wirklich, Joan! Ich lasse mich nicht wie ein Hündchen an der Leine führen.«
Sinjun drehte sich nach dem verärgerten Mann um, den sie unbedingt heiraten wollte, lächelte strahlend und tätschelte seinen Arm. »Ich lasse mich auch nicht gern herumführen, am allerwenigsten in einem seltsamen Haus. Das heißt, eigentlich ist unser Haus nicht seltsam, aber für Sie ist es ja noch ganz fremd. Gehen Sie neben mir her, dann haben wir beide die Führung.«
»Es hat nichts mit der Seltsamkeit des Hauses zu tun.« Doch obwohl er sich wie ein Narr vorkam, ging er brav neben ihr her.
Sie führte ihn in die unteren Regionen des großen Hauses, in eine riesige Küche, die gemütlich und warm war und in der es nach Zimt, Muskatnuß und süßem Brot roch, das gerade in alten Steinöfen gebacken wurde. Colin lief das Wasser im Munde zusammen, als er auch noch köstliche Küchendüfte wahrnahm.
»Setzen Sie sich hier an den Tisch, Mylord.«
Er warf ihr einen irritierten Blick zu. »Um Gottes willen, nach allem, was sich in nicht mal vierundzwanzig Stunden ereignet hat, können Sie mich wirklich Colin nennen.«
Sie belohnte ihn mit einem hinreißenden Lächeln, und am liebsten hätte er sie wieder an sich gerissen und geküßt. Statt dessen nahm er gehorsam auf einem Holzstuhl Platz und ließ sich die verletzte Lippe mit einem feuchten Tuch betupfen. Es brannte höllisch, aber er hielt still.
»Ich hätte Sie lieber in mein Schlafzimmer mitgenommen«, erklärte Sinjun treuherzig, während sie ihr Werk betrachtete, »aber dann hätte Douglas den Waffenstillstand bestimmt sofort gebrochen. Er ist manchmal ziemlich unberechenbar.«
Colin knurrte nur.
»Dafür lernen Sie jetzt unsere Köchin kennen. Sie heißt Mrs. Potter und macht das beste Gebäck von ganz England. Liebe Mrs. Potter, dies ist Lord Ashburnham.«
Colin nickte der korpulenten Frau zu, die einschließlich ihrer Schürze weiß gekleidet war und einen großen Kochlöffel in der Hand hielt. Sie warf ihm einen mißtrauischen Blick zu.
»Wer war eigentlich das kleine Persönchen?« erkundigte er sich.
»Douglas Frau Alexandra. Sie liebt ihn sehr und würde für ihn durchs Feuer gehen.«
Colin griff nach ihrem Handgelenk und zog sie zu sich hinunter, bis ihr Gesicht höchstens zehn Zentimeter von seinem entfernt war. »Glauben Sie wirklich an solche Liebe und Loyalität?«
»O ja.«
»Sie haben Ihren Bruder geschlagen, das muß ich zugeben, aber bei mir haben Sie dann noch fester zugeschlagen.«
»Ich habe versucht, gerecht zu sein, aber im Eifer des Gefechts ist das schwierig.«
Er mußte unwillkürlich lächeln.
»Wenn Sie mich nicht loslassen, schlägt Mrs. Potter bestimmt gleich mit dem Kochlöffel zu.«
Dieser Gefahr wollte er sich lieber nicht aussetzen. Er gab ihr Handgelenk frei, und sie tupfte seine aufgeplatzte Lippe ein letztes Mal ab. »Der heiße Tee wird ein bißchen brennen, aber er wird Ihnen gut tun. Also, auf in den Salon. Sie müssen mit Douglas irgendwie klarkommen, denn er ist das Familienoberhaupt.«
Ich kann nicht glauben, daß mir so etwas passiert, dachte Colin, während er neben dem großen Mädchen mit dem burschikosen Gang und den wippenden Haaren herging. Sie begann wie ein Junge zu pfeifen, und er schüttelte den Kopf, verzichtete aber auf jeden Kommentar. Statt dessen sagte er: »Es ist einfach nicht zu fassen. Bis
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