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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Flur, der rechterhand in ein langes, schmales Wohnzimmer führte; es war gut eingerichtet, aber völlig unpersönlich. »Colin? Wo sind Sie?«
    Wieder hörte sie ihn fluchen. Eilig durchquerte sie das Wohnzimmer und riß die Tür auf, die ins Schlafzimmer führte. Ihr Verlobter hatte sich in einem zerwühlten Bett aufgesetzt, und sie konnte seinen nackten Oberkörper sehen. Einen Moment lang stand sie vor ihm und starrte ihn fasziniert an. Sein breiter Brustkorb war dicht behaart, und er sah unglaublich stark und muskulös und dabei doch schlank aus. Er hatte einen schwarzen Stoppelbart, seine Augen waren blutunterlaufen und seine Haar zerzaust, aber nichtsdestotrotz kam er Sinjun bildschön vor.
    »Joan! Was zum Teufel machen Sie hier? Haben Sie völlig den Verstand verloren? Sind Sie . . .«
    Er konnte nur krächzen. Im Nu stand Sinjun neben seinem Bett. »Was fehlt Ihnen?« Im selben Augenblick bemerkte sie, daß er wie Espenlaub zitterte. »O Gott! Sie drückte ihn in die Kissen und deckte ihn bis zum Kinn zu. »Nein, nein, liegen Sie still und erzählen Sie mir, was los ist?«
    Colin lag flach auf dem Rücken und blickte zu Joan auf, die sich als Junge verkleidet hatte, was lächerlich war. Aber vielleicht phantasierte er auch nur, vielleicht war sie in Wirklichkeit gar nicht da.
    »Joan?« versuchte er sich zu vergewissern.
    »Ja, Liebster, ich bin hier. Was fehlt dir?« In dieser Situation konnte sie ihn einfach nicht länger siezen. Sie setzte sich auf die Bettkante und legte ihre Hand auf seine Stirn, die sehr heiß war.
    »Ich kann nicht dein Liebster sein«, murmelte er, erleichtert, sie nun seinerseits duzen zu können. »Dazu ist es noch viel zu früh. Verdammt, ich bin müde und so schwach wie ein Welpe kürz nach der Geburt. Warum gibst du dich für einen Jungen aus? Das ist doch albern. Du hast die Hüften einer Frau, und deine langen Beine sehen auch nicht jungenhaft aus.«
    Es war ein interessantes Gesprächsthema, aber Sinjun war viel zu besorgt, um sich ablenken zu lassen. »Du hast hohes Fieber. Mußtest du dich übergeben?«
    Er schüttelte den Kopf und schloß die Augen. »Hast du denn überhaupt kein Zartgefühl?«
    »Hast du Kopfweh?«
    »Ja.«
    »Wie lange fühlst du dich schon so schlecht?«
    »Seit zwei Tagen. Aber ich bin nur müde, weiter nichts.«
    »Warum hast du keinen Arzt holen lassen? Oder mich?«
    »Ich brauche niemanden. Es ist eine leichte Erkältung. Ich habe mir bei Regen einen Boxkampf auf dem Tyburn Hill angeschaut.«
    »Wir werden sehen.« Männer, dachte sie, während sie sich hinabbeugte und ihre Wange an die seine preßte. Sie können einfach keine Schwäche eingestehen. Unwillkürlich zuckte sie zurück, denn er glühte vor Fieber. Als er die Augen öffnete, legte sie sanft eine Fingerspitze auf seine Lippen. »Nein, beweg dich nicht. Ich werde mich jetzt um alles kümmern. Wann hast du zuletzt gegessen?«
    Mit gerunzelter Stirn knurrte er wütend: »Das weiß ich nicht mehr, und es ist auch völlig unwichtig. Ich habe keinen Hunger. Geh weg, Joan! Daß du hier bist, ist höchst unschicklich.«
    »Würdest du mich denn alleinlassen, wenn du mich krank vorfändest?«
    »Das ist etwas anderes, und das weißt du genau. Um Himmels willen, ich bin splitterfasernackt.«
    »Splitterfasernackt«, wiederholte sie lächelnd, trotz ihrer Angst um ihn unwillkürlich fasziniert. »Nein, nein, schau mich nicht so böse an und fluch nicht. Bleib ruhig liegen. Ich kümmere mich um alles.«
    »Nein, verdammt, mach, daß du wegkommst!«
    »Ich gehe gleich und hole Hilfe, und du bleibst derweil warm zugedeckt liegen. Möchtest du Wasser trinken?«
    Er nickte sehnsüchtig.
    Sobald er seinen quälenden Durst gestillt hatte, fragte sie nüchtern: »Mußt du vielleicht mal verschwinden?«
    Er schien ihr an die Gurgel springen zu wollen. »Verschwinde!«
    »In Ordnung.« Sie küßte ihn auf den Mund und eilte von dannen.
    Colin zog die Decken bis zur Nase hinauf. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, und der Raum verschwamm vor seinen Augen. Als er sie wieder öffnete, war er allein. War Joan wirklich hier gewesen? Er war nicht mehr so durstig, folglich mußte wohl jemand dagewesen sein. O Gott, ihm war so schrecklich kalt! Sein Kopf dröhnte, und seine Gedanken wurden immer verworrener. Er war krank, und es ging ihm schlechter als nach dem befriedigenden Kampf, bei dem er sich zwei Rippen gebrochen hatte, zwei Monate, bevor sein Bruder ums Leben gekommen war und er selbst den Titel geerbt

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