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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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ihn zuletzt gesehen hatte. Dann hörte sie einen Mann lachen und wußte sofort, daß er es war, der so kraftvoll und wohltönend lachte. Es erregte und wärmte sie, und jenes Prickeln in ihrem Innern wurde noch stärker. Sie spürte es bis zu den Zehenspitzen.
    Kein Mann konnte so perfekt sein, wie sie ihn auf den ersten Blick eingeschätzt hatte. Das war ganz unmöglich. Sie war weder dumm noch naiv noch eine ahnungslose Debütantin; schließlich waren zwei ihrer Brüder in Wort und Tat ausgesprochen freimütig. Der Mann war bestimmt ein Troll, was seinen Charakter betraf.
    »Sinjun, was ist los mit dir? Brütest du etwa eine Krankheit aus?«
    Sie holte tief Luft und beschloß, ihren Mund zu halten, was für sie höchst ungewöhnlich war. Aber sie hatte Neuland betreten, und hier fühlte sie sich noch sehr unsicher. Mit breitem Grinsen lenkte sie ihre Schwägerin ab. »Alex, ich finde Ihre Gnaden, die Herzogin von Portmaine, sehr sympathisch. Ihr Spitzname ist Brandy, und sie hat mich gebeten, sie nicht mit dem schrecklichen Namen Brandella anzureden. Ist es nicht überaus clever, Brandella auf diese Weise abzukürzen?« Etwas leiser fügte sie hinzu: »Und schau dir nur mal ihren Busen an — könnte es sein, daß er noch imposanter ist als der deine? Natürlich dürfte sie auch etwas älter sein als du.«
    Douglas Sherbrooke lachte schallend. »Du lieber Himmel, glaubst du, daß das Alter dabei eine Rolle spielt, Sinjun? Daß der Brustumfang einer Dame mit den Jahren zunimmt? Mein Gott, dann könnte Alex mit sechzig nicht mehr aufrecht gehen. Aber eine nähere Betrachtung der Herzogin scheint mir jetzt doch sehr angebracht. Andererseits muß ich als dein ältester Bruder betonen, daß es sehr taktlos von dir ist, Bemerkungen über die Vorzüge der Herzogin und über Alex Mängel zu machen.«
    Sinjun lachte über die Worte ihres Bruders und über die Miene seiner Frau, als er mit klagender Stimme fortfuhr: »Ich dachte bisher, dein Busen hätte in ganz England nicht seinesgleichen, aber vielleicht trifft das nur auf Südengland zu. Vielleicht kannst du sogar nur in der unmittelbaren Umgebung von Northcliffe Hall alle anderen Damen ausstechen. Vielleicht bin ich hereingelegt worden.«
    Seine Frau knuffte ihn liebevoll in den Arm. »Ich würde vorschlagen, daß du deine Augen und Gedanken auf den heimischen Herd beschränkst, Mylord, und die Herzogin mit all ihren weiblichen Attributen dem Herzog überläßt.«
    »Einverstanden.« Der Graf wandte sich seiner kleinen Schwester zu, die er zärtlich liebte und die plötzlich irgendwie verändert aussah. Zu Beginn des Balls war das noch nicht der Fall gewesen. Dann erkannte er, worin der Unterschied bestand: Sinjun wirkte undurchschaubar. Und das war wirklich sehr seltsam, denn normalerweise war sie durchsichtig wie ein Teich im Sommer. Ihr ausdrucksvolles Gesicht spiegelte alle Gedanken und Gefühle lebhaft wider. Es bekümmerte ihn, daß er jetzt nicht die leiseste Ahnung hatte, was in ihrem Köpfchen vorging. Das war fast so, als bekäme man einen Tritt von einem Pferd, dem man soeben erst den Rücken zugewandt hat. Er hatte plötzlich das Gefühl, als würde er diese große, hübsche junge Dame überhaupt nicht kennen, und nahm deshalb Zuflucht zu einer nichtssagenden Bemerkung. »Na, Göre, amüsierst du dich?« Dieser letzte Kotillon war der einzige Tanz, den du heute abend ausgelassen hast.«
    »Sie ist neunzehn, Douglas«, mahnte Alex. »Du mußt allmählich aufhören, sie >Göre< oder >Range< zu nennen.«
    »Auch wenn sie weiterhin die Jungfräuliche Braut spielt, um mir den Schlaf zu rauben?«
    Während die beiden über das unglückliche Gespenst von Northcliffe Hall diskutierten, hatte Sinjun Zeit, sich eine Antwort zurechtzulegen. Sie entschied sich für ein ausweichendes »Ich geistere nicht durchs Haus, Douglas, zumindest nicht in London.« Dann stöhnte sie plötzlich laut. »O Gott, da naht Lord Castlebaum mit seiner lieben Frau Mama! Ich habe ganz vergessen, daß ihm der nächste Tanz gehört. Er schwitzt ganz schrecklich, Douglas, und er hat feuchte Hände ...«
    »Ich weiß, aber ansonsten ist er ein sehr netter junger Mann.« Douglas hinderte sie mit einer Geste daran, ihm ins Wort zu fallen. »Doch selbst wenn er ein langweiliger Heiliger wäre, würde es weiter nichts ausmachen. Du brauchst ihn ja nicht zu heiraten. Nimm seinen Schweiß und seine Nettigkeit einfach hin und versuch, dich zu amüsieren. Vergiß nicht, daß du nur zu diesem Zweck in

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