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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Frau, meine Gräfin.«
    »Also gut. Ich war wütend auf dich, und deshalb bin ich ausfällig geworden. Entschuldige bitte.«
    »Diesmal tu ich's, aber mäßige dich in Zukunft und hör auf, mich zu verhöhnen. Du mußt dich jetzt beeilen. In einer Dreiviertelstunde wird das Abendessen serviert. Ich schicke dir Emma.«
    Er entfernte sich, und Sinjun strich mit der Hand über das Kissen, das er nach ihr geworfen hatte. Seine Reaktion war wirklich interessant gewesen. Vielleicht machte er sich doch etwas aus ihr.
    Colins Vetter MacDuff war das erste Familienmitglied, dem sie begegnete, als sie hinunterkam. Er stand nachdenklich am Fuß der Treppe, ein Glas Brandy in der Hand, und sah noch massiger aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sein rotes Haar war mit Pomade geglättet, und er trug ein weißes Leinenhemd, eine schwarze Kniehose und weiße Seidenstrümpfe.
    Er bemerkte sie erst, als sie dicht vor ihm stand. »Hallo, Joan, w illk ommen in Vere Castle! Verzeih bitte, daß ich nicht hier war, als ihr angekommen seid.«
    »Hallo, MacDuff! Bitte nenn mich Sinjun. Nur Colin beharrt auf >Joan<.«
    »Du wirst ihn bestimmt noch umstimmen.«
    »Glaubst du?«
    »Ja. Er hat mir erzählt, welchen Empfang deine Brüder euch in Edinburgh bereitet haben.« Er ließ seinen Blick über die Spielmannsgalerie schweifen, die jetzt im Halbdunkel lag. »Das hätte ich liebend gern gesehen. Es hört sich so unterhaltsam an. Hat Angus wirklich ein Loch in die Salondecke geschossen?«
    »Ein sehr großes Loch. Die Decke ist ringsum ganz schwarz.«
    »Ich komme immer zu kurz, wenn es um Abenteuer geht, und das ist bei meiner Statur besonders unfair, findest du nicht auch? Ich könnte viele schöne junge Damen verteidigen, denn ein grimmiger Blick von mir schüchtert fast jeden Gegner ein, und wenn ich meine Fäuste balle, nehmen alle Reißaus. Colin hat mir auch von dem Schuß erzählt.« Er betrachtete ihr Gesicht und strich mit seinen plumpen Fingern über die Schramme. »Gott sei Dank, es wird keine Narbe Zurückbleiben. Mach dir keine Sorgen, Colin wird den Schuft bestimmt zur Strecke bringen. Was hältst du von deinem neuen Zuhause?«
    Sinjun musterte die staubige Eichentäfelung und das herrlich geschnitzte, aber total verschmutzte Treppengeländer. »Es ist ein Märchenschloß, aber wenn ich mir nur dieses Geländer ansehe, muß ich leider feststellen, daß sehr viele schmutzige Hände es berührt haben und sehr viele andere Hände offenbar müßig in den Schoß gelegt wurden.«
    »Seit Fiona und Colins Bruder gestorben sind, wurde hier nicht viel gemacht.«
    »Nicht einmal die einfachsten Hausarbeiten?«
    »Sieht so aus.« Er blickte sich in der riesigen Halle um. »Du hast recht. Mir ist es bisher nicht aufgefallen, aber ich glaube, seit dem Tod von Colins Mutter hat sich niemand mehr so richtig darum gekümmert. Gut, daß du jetzt hier bist, Sinjun. Du wirst bestimmt dafür sorgen, daß alles wieder auf Hochglanz kommt.«
    »Ihr Name ist Joan.«
    »Ist das dein ewiger Refrain, Colin?« fragte er fröhlich und schüttelte seinem Vetter so kräftig die Hand, daß Colin zusammenzuckte.
    »Sie heißt nun mal Joan.«
    »Mag sein, aber Sinjun gefällt mir besser. Wollen wir nicht in den Salon gehen? Ich könnte mir vorstellen, daß deine Frau einen Sherry möchte.«
    »O ja.« Sinjun sah ihren Mann an und schluckte. In seinem schwarzen Abendanzug mit weißem Leinenhemd sah er so unglaublich attraktiv aus, daß sie sich am liebsten in seine Arme geworfen und ihn geküßt hätte.
    »Guten Abend, Joan.«
    »Hallo, Colin.«
    Er verbeugte sich leicht und bot ihr seinen Arm.
    Nur Tante Arleth hielt sich schon im düsteren Salon auf. Sie saß in der Nähe eines träge brennenden Torffeuers, von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, mit einer sehr schönen Kameebrosche am Hals. Sie war sehr mager, und ihr schwarzes Haar, an den Schläfen mit weißen Strähnen durchsetzt, war elegant hochgesteckt. Früher mußte sie sehr hübsch gewesen sein, doch jetzt wirkte sie mit ihren verkniffenen Lippen und dem spitzen Kinn ziemlich verbiestert. Sie stand abrupt auf und erklärte ohne jede Einleitung: »Die Kinder essen mit Dulcie im Kinderzimmer. Meine Nerven sind überreizt, Neffe, wegen der Ankunft dieser jungen Person, die du vor aller Augen die Treppe hinauftragen mußtest. Ich will die Kinder heute abend nicht an meinem Tisch haben.«
    Colin lächelte nur. »Aber ich habe meine Kinder vermißt.« Er winkte einem Bediensteten in verschlissener

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