Die Jungfernbraut
werde. Sie braucht nur eine Rüstung und ein Pferd, um ins Turnier zu reiten und meine Ehre zu verteidigen. Du solltest also lieber deine Zunge hüten, wenn sie in der Nähe ist. Nur sie selbst darf mich maßregeln, sonst niemand. So, und jetzt gehen wir alle ins Eßzimmer. Philip, nimm Dahling an die Hand. Joan, erlaub mir bitte, dir den Weg zu zeigen.«
»Man muß ihr Manieren beibringen«, zischte Tante Arleth leise, aber natürlich nicht leise genug.
»Ich wette, daß du gewinnst«, flüsterte MacDuff Sinjun ins Ohr, während Colin ihr an dem langen Mahagonitisch den Platz der Hausherrin zuwies. Sie ahnte, daß bisher Tante Arleth diesen Platz eingenommen hatte, aber die Dame setzte sich achselzuckend auf den Stuhl links von Colin, und Sinjun war heilfroh, daß es zu keinem neuen Streit gekommen war. Die Kinder wurden in die Mitte gesetzt, und MacDuff und Serena nahmen neben ihnen Platz.
»Ich möchte auf die neue Hausherrin trinken.« Colin stand auf und hob sein Weinglas. »Auf die Gräfin von Ashburnham.«
»Hört, hört!« rief MacDuff.
»Ja, wirklich«, sagte Serena herzlich.
Die Kinder blickten von ihrem Vater zu ihrer Stiefmutter, und Philip erklärte laut: »Du bist nicht unsere Mutter, auch wenn Vater dich heiraten mußte, um uns vor dem Ruin zu retten.«
Tante Arleth lächelte boshaft.
»Nein, ich bin nicht eure Mutter, dazu wäre ich auch viel zu jung. Weißt du, ich bin erst neunzehn.«
»Auch wenn du alt bist, wirst du nicht unsere Mutter sein.«
Sinjun lächelte dem Jungen zu. »Vielleicht nicht. Bald müßte meine Stute Fanny hier eintreffen. Sie ist sehr ausdauernd, Philip. Reitest du auch?«
»Selbstverständlich«, erwiderte er herablassend. »Ich bin ein Kinross, und eines Tages werde ich das Familienoberhaupt sein. Sogar Dahling reitet schon, und sie ist nur ein kleines Mädchen.«
»Großartig. Vielleicht könnt ihr beide mir in den nächsten Tagen etwas von der Umgebung zeigen.«
»Die Kinder haben Unterricht«, mischte sich Tante Arleth ein. »Nachdem keine Gouvernante lange hierbleibt, muß ich sie unterrichten. Eigentlich ist es Serenas Pflicht, aber sie drückt sich davor.«
»Die Kinder sollen Joan begleiten«, erklärte Colin ruhig. »Sie müssen ihre Stiefmutter besser kennenlernen, denn im Gegensatz zu den Gouvernanten bleibt sie für immer hier.« Er warf seinem Sohn einen strengen Blick zu. »Ihr werdet sie nicht schikanieren, verstanden, Philip?«
»Ja«, stimmte Sinjun fröhlich zu, »bitte keine Schlangen in meinem Bett, auch kein Schlamm, in den ich im Dunkeln treten könnte.«
»Wir haben bessere Dinge auf Lager«, versprach Dahling.
»Der Schlamm ist nicht uninteressant«, murmelte Philip, und sein Gesicht nahm einen sehr nachdenklichen Ausdruck an, der Sinjun von anderen Kindern bestens bekannt war.
»Iß deine Kartoffeln«, befahl Colin, »und vergiß den Schlamm schleunigst wieder.«
Es gab Haggis, und Sinjun überlegte, ob sie hier Hungers sterben und ein neuer Familiengeist werden würde. Zum Glück konnte sie sich aber an den Beilagen satt essen. Colin und MacDuff unterhielten sich über Geschäfte und über Probleme mit einigen Einheimischen, aber sie hörte nicht besonders aufmerksam zu, da sie immer noch Schmerzen hatte, wenn sie auch erträglicher geworden waren. Allerdings horchte sie sofort auf, als sie Colin sagen hörte: »Ich reite morgen früh nach Edinburgh zurück. Es gibt sehr viel zu tun.«
»Nachdem du jetzt ihr Geld hast?« fragte Tante Arleth honigsüß.
»Ja«, erwiderte Colin ruhig. »Nachdem ich jetzt ihr Geld habe, kann ich endlich damit beginnen, all die Probleme zu lösen, die ich von meinem Vater und meinem Bruder geerbt habe.«
»Dein Vater war ein großer Mann«, sagte Arleth. »Nichts von all dem war seine Schuld.«
Colin schüttelte nur lächelnd den Kopf und setzte seine Unterhaltung mit MacDuff fort. Am liebsten hätte Sinjun ihm ihren Teller an den Kopf geworfen. Er hatte also tatsächlich die Absicht, sie an diesem seltsamen Ort allein zu lassen. Wunderbar, einfach großartig! Zwei Kinder, die ihr nach Kräften das Leben schwermachen würden, und zwei Frauen, die höchstwahrscheinlich nur darauf warten würden, daß sie aus Verzweiflung von einem der Türme in den Tod sprang.
»Wir müssen ein Fest für deine Frau geben, Colin«, sagte Serena plötzlich. »Das wird man von uns erwarten. Alle Nachbarn werden schockiert sein, daß du so schnell wieder geheiratet hast — Fionas Tod liegt schließlich erst sieben
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