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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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gelungen sein sollte, in dieser Richtung zu fliehen. Aber wir hatten mehr Glück, als ich erhofft oder vielleicht verdient hatte.
    Seht her, dies habe ich gefunden!«
    Er zog aus seinem Wams ein Netz aus feinen, goldenen Fäden, das an einem bestickten Band befestigt war. Es war ein Haarnetz, das über den aufgesteckten Haaren getragen und auf der Stirn mit einer Spange verschlossen wurde. Die Spange war verbogen, aber sie hatte sich nicht geöffnet, denn neben ihr war das bestickte Band zerrissen.
    »Das fand ich im tiefen Wald, ein gutes Stück den Weg hinunter. Sie waren in Eile - wer immer die Leute waren, die diesen Weg genommen haben - und brachen durch dichtes Unterholz, um auf dem schnellsten Weg den Hang hinab nach unten zu kommen. Viele abgebrochene Zweige deuten darauf hin. Ich sage ›sie‹, aber ich schätze, es war nur ein Pferd mit zwei Reitern. Das Netz hatte sich in einem herabhängenden Ast verfangen und so hat sie es verloren. Und da wir also hoffen dürfen, daß die Besitzerin dem Überfall glücklich entkommen ist, dürfen wir es wohl Yves zeigen und ihm sagen, unter welchen Umständen wir es gefunden haben. Wenn er es als ihr Haarnetz wiedererkennt, dann werde ich mich auf den Weg nach Ledwyche machen und sehen, ob das Glück immer noch auf unserer Seite ist.«
    Yves zögerte keine Sekunde. Als sein Blick auf das goldene Haarnetz fiel, öffneten sich seine Augen weit und er rief eifrig und hoffnungsvoll: »Das gehört meiner Schwester! Es war zu kostbar, um es auf der Reise zu tragen, aber ich wußte, daß sie es dabei hatte. Für ihn würde sie es aufsetzen. Wo habt Ihr es gefunden?«

6. Kapitel
    Diesmal nahmen sie Yves mit; zum einen, weil er, obwohl er, Hugh Beringars Befehl zurückzubleiben wohl widerspruchslos befolgt hätte, während der Zeit des Wartens unglücklich und rastlos gewesen wäre, zum anderen, weil er Erminas Liebhaber, wenn sie ihn fanden, identifizieren konnte.
    Außerdem ging es hier um ein Mitglied seiner Familie, deren Oberhaupt er tatsächlich war, und er hatte das Recht, an der Suche nach seiner verschwundenen Schwester teilzunehmen, jetzt, da man wußte, daß sie sehr wahrscheinlich am Leben war.
    »Aber das ist ja derselbe Weg, auf dem wir von Thurstans Waldhütte gekommen sind«, sagte er, als sie bei der Brücke über den Corve von der Landstraße abbogen. »Müssen wir diesen Weg gehen?«
    »Ja, ein Stück weit. Wir werden an der Stelle vorbeikommen, an die du und ich lieber nicht zurückkehren würden«, sagte Cadfael, der das Unbehagen des Jungen spürte. »Aber wir brauchen unsere Augen nicht abzuwenden. Es lauert nichts Böses dort auf uns. Erde, Wasser und Luft haben mit den Verbrechen der Menschen nichts zu tun.« Und mit einem aufmerksamen, aber vorsichtigen Seitenblick auf das ernste Gesicht des Jungen fügte er hinzu: »Du darfst trauern, aber du darfst nicht damit hadern, daß sie tot ist. Dort, wo sie jetzt ist, war sie willkommen.«
    »Sie war die Beste von uns«, brach es plötzlich aus Yves hervor. »Ihr kanntet sie nicht! Nie hat sie die Beherrschung verloren, immer war sie geduldig, gütig und sehr tapfer. Und sie war viel schöner als Ermina!«
    Er war erst dreizehn, aber seine Erziehung und Begabung machten ihn vielleicht etwas älter an Jahren, und er war viele Tage gemeinsam mit der ruhigen, sanften Schwester Hilaria marschiert, hatte sie aus der Nähe erleben können. Und wenn er zum erstenmal in seinem Leben eine reifere Liebe verspürt hat, so war sie gewiß unschuldiger und argloser Natur gewesen, selbst jetzt, nachdem ihn dieser Verlust betroffen hatte. Nein, Yves hatte keinen Schaden erlitten. Er schien in den vergangenen beiden Tagen gewachsen zu sein und begonnen zu haben, seine Kindheit mit großen Schritten hinter sich zu lassen.
    Er wendete seinen Blick nicht ab, als sie den Bach erreichten, aber er war schweigsam und blieb es, bis sie auch den zweiten Bach überquert hatten; dort hielten sie sich nach rechts und der Wald lichtete sich. Die freie Sicht weckte sein Interesse an seiner Umgebung. Mit glänzenden Augen sah er sich um. Die Wintersonne, unter deren Wärme wieder schlanke Eiszapfen an den Ästen und Zweigen gewachsen waren, war bereits untergegangen, aber es war noch hell und die Luft war still. Das Muster aus Schwarz, Weiß und dunklem Grün erzeugte ein eigentümlich melancholisches Bild.
    Sie überschritten den noch immer zugefrorenen Hopton-Bach eine halbe Meile unterhalb der Stelle, an der sie ihn auf dem Weg von

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