Die Jungfrau Im Eis
nach Cleeton zu reiten und nach ihm zu fragen. Und sie ist nicht zurückgekehrt.«
»Und Ihr seid ihr nicht gefolgt!« sagte Yves anklagend.
Stocksteif und bebend stand er neben Cadfael. »Ihr habt sie gehen lassen und seid selbst zu Hause geblieben, um Eure Wunden zu pflegen!«
»Weder das eine noch das andere«, antwortete Boterei reumütig und leise. »Ich habe sie nicht gehen lassen, denn ich wußte ja gar nicht, daß sie fort war. Und als ich es erfuhr - das können dir die Leute hier bestätigen - da stand ich auf von meinem Lager und machte mich auf die Suche nach ihr. Es waren die Kälte der Nacht, glaube ich, die Reibung des rauhen Stoffes auf der Wunde und die Anstrengung des Rittes, die mich so krank werden ließen. Ich schäme mich, es zu sagen, aber ich wurde ohnmächtig und fiel aus dem Sattel, und die Männer, die ich mitgenommen hatte, mußten mich den Weg, den ich geritten war, zurücktragen. Ich bin nie nach Cleeton gekommen.«
»Das war Euer Glück«, bemerkte Beringar, »denn in derselben Nacht wurde das Haus, das sie aufsuchen wollte, überfallen und niedergebrannt und die Familie, die dort wohnte, vertrieben.«
»Das habe ich inzwischen auch erfahren. Glaubt Ihr etwa, ich hätte alles auf sich beruhen lassen und keine Anstrengung unternommen sie zu finden? Aber sie war nicht dort, als der Hof angegriffen wurde. Das müßt auch Ihr wissen, wenn Ihr dort gewesen seid und mit denen gesprochen habt, die sie beherbergt haben. Sie ist nie dort angekommen. Ich habe die ganze Zeit Männer ausgeschickt, die nach ihr suchen sollten, wenn ich auch selbst zitternd mit Fieberträumen im Bett lag und zu nichts nutze war. Aber jetzt, da ich wieder stehen kann, werde ich die Suche selber fortsetzen. So lange, bis ich sie gefunden habe!« sagte er entschlossen und biß die Zähne aufeinander.
Es gab hier nichts mehr für sie zu tun; mit Schuldzuweisungen war nichts gewonnen. Das Mädchen hatte diese ganze verhängnisvolle Entwicklung in Gang gesetzt.
Zweimal hatte sie unbedacht gehandelt: das erste Mal, als sie mit ihrem Liebhaber durchgebrannt war und das zweite Mal, als sie sich, da er verwundet war, allein auf den Weg machte und versuchte, die Folgen ihrer Unbedachtsamkeit wieder gutzumachen.
»Wenn Ihr irgendetwas von ihr hört«, sagte Beringar, »dann schickt einen Boten nach Bromfield, wo ich mich einquartiert habe, oder nach Ludlow, wo meine Männer untergebracht sind.«
»Das werde ich tun, Herr, verlaßt Euch darauf.« Boterei ließ sich wieder in die zerdrückten Kissen sinken, zuckte vor Schmerz zusammen und schob vorsichtig seine Schulter zurecht.
»Soll ich Euch die Wunde frisch verbinden, bevor wir gehen?« fragte Bruder Cadfael. »Ich sehe, daß sie Euch Schmerzen bereitet. Es ist gut möglich, daß der Wundschorf am Verband festklebt und das kann böse Folgen haben. Habt Ihr einen Arzt, der sich um Euch kümmert?«
Erstaunt über die Anteilnahme sah ihn der junge Mann mit großen Augen an. »Ich nenne ihn meinen Quacksalber. Es ist zwar kein Arzt, aber er hat einige Erfahrungen im Umgang mit Verletzungen. Ich glaube, er hat mich bisher recht gut versorgt.
Kennt Ihr Euch in diesen Dingen aus, Bruder?«
»Wie Euer Mann habe ich einige Erfahrung. Ich habe es schon öfter mit Wunden zu tun gehabt, die sich entzündet hatten. Womit hat er Euch behandelt?« Er war neugierig, welche Arzneien andere verwendeten und auf einem Wandbord sah er sauberes Leinen und einen Tontopf, der eine Salbe enthielt.
Cadfael hob den Deckel ab und roch den grünlichen Inhalt.
»Tausendgüldenkraut, glaube ich, und gelbe Nessel - beides gute Kräuter. Er kennt sich aus. Mehr würde ich kaum für Euch tun können. Aber da er gerade nicht da ist und Ihr Schmerzen habt, darf ich Euch verbinden?«
Gehorsam lehnte Boterei sich zurück und ließ sich behandeln. Cadfael öffnete die Bänder, mit denen das Wams des jungen Mannes zusammengeschnürt war, legte vorsichtig die Schulter frei und schob den weiten Ärmel des Hemdes so weit hinunter, daß der Verwundete den Arm herausziehen konnte.
»Ihr seid heute aufgewesen und herumgelaufen. Der Verband hat Falten bekommen und das Blut in ihm ist getrocknet - kein Wunder, daß er Euch Schmerzen bereitet. Ihr tätet besser daran, ein oder zwei Tage zu ruhen.« Er sprach jetzt wie ein Arzt: nüchtern, vertrauenerweckend, ja sogar etwas streng. Sein Patient hörte willig zu und ließ sich den Verband abnehmen, der die Schulter und den Oberarm bedeckte. Die letzten
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