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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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aber meine Schwester war dagegen. Sie wollte weiter über die Hügel marschieren. So haben wir uns in Foxwood getrennt.« Das Gesieht auf dem Kissen zeigte keine Reaktion. Still und geduldig hoffend schien es auf etwas zu warten. Der Wind rüttelte an den schweren Fensterläden und blies winzig kleine Schneeflocken herein, die sofort schmolzen. Die Kerze flackerte. Das durchdringende, klagende Heulen des Sturmes drang in den Raum.
    »Aber du bist hier«, sagte Elyas unvermittelt, »immer noch weit von Shrewsbury entfernt. Und ganz allein! Wie kommt es, daß du allein bist?«
    »Wir wurden getrennt.« Yves wurde unruhig, aber wenn der Kranke begann, so verständige Fragen zu stellen, waren die Fäden seiner Erinnerung vielleicht dabei, sich wieder miteinander zu verknüpfen und ihm das ganze Bild der Ereignisse zu präsentieren. Es war besser, wenn er nicht nur das Gute, sondern auch das Schlechte erfuhr, da er ja nur ein unschuldiges Opfer war und das Wissen vielleicht zu seiner Heilung beitragen konnte. »Freundliche Bauern haben mich aufgenommen und dann hat Bruder Cadfael mich hierhergebracht. Aber meine Schwester... wir suchen sie immer noch. Es war ihr eigener Wille, uns zu verlassen!« Er konnte diesen Ausruf nicht unterdrücken, aber weiter wollte er in seinen Beschuldigungen nicht gehen. »Ich bin sicher, daß ihr nichts geschehen ist«, sagte er mannhaft.
    »Aber da war noch eine Dritte«, sagte Bruder Elyas so leise, so nach innen gekehrt, als spreche er mit sich selbst. »Da war eine Nonne...« Und jetzt sah er nicht mehr Yves an, sondern starrte mit weit aufgerissenen Augen an die Decke. Sein Mund zuckte erregt.
    »Schwester Hilaria«, sagte Yves, der ebenfalls zu zittern begonnen hatte.
    »Eine Nonne unseres Ordens...« Elyas stützte beide Hände auf den Bettrahmen und setzte sich mit einem Ruck auf. In den Tiefen seiner gehetzten Augen regte sich etwas, ein gelbliches, irres Licht; zu hell, um nur eine Wiederspiegelung des Kerzenscheins zu sein. »Schwester Hilaria...« sagte er, und jetzt endlich hatte er einen Namen gefunden, der ihm etwas sagte - etwas so Schreckliches, daß Yves ihn mit beiden Händen an den Schultern packte und ihn wieder in die Kissen zu drücken versuchte.
    »Ihr dürft Euch keine Vorwürfe machen - sie ist nicht verloren, sie ist hier, man hat sie sorgfältig hergerichtet und aufgebahrt. Man darf sie nicht zurückwünschen, sie ist bei Gott.« Gewiß hatten sie es ihm schon erzählt, aber vielleicht hatte er es nicht verstanden. Man konnte den Tod nicht verbergen. Natürlich würde er trauern, aber das war gestattet.
    Aber du darfst nicht damit hadern, daß sie uns verlassen hat, hatte Bruder Cadfael gesagt.
    Bruder Elyas stieß einen schrecklichen, verzweifelten Laut aus, der aber so leise war, daß das Heulen des Windes ihn fast übertönte. Er ballte die Hände zu großen, knochigen Fäusten und schlug sich an die Brust.
    »Tot! Tot? Dahingerafft in ihrer Jugend, in ihrer Schönheit - und sie hat mir vertraut! Tot! Oh, warum stürzt das Haus nicht ein und begräbt mich Unglücklichen unter sich, damit ich nie mehr einer Menschenseele unter die Augen kommen muß...!«
    So schnell sprudelten die Worte aus ihm heraus, daß das, was er rief, nur halb verständlich war. Yves in seiner Bestürzung hörte kaum richtig hin. Er wollte nur diese Lawine, die er ungewollt losgetreten hatte, zum Stehen bringen. Er legte einen Arm um Bruder Elyas' Brust und redete ihm zu, sich doch wieder hinzulegen. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen den Körper des verwirrten Mönches.
    »Beruhigt Euch doch, nein, Ihr dürft Euch nicht so aufregen!
    Legt Euch hin, Ihr seid noch zu schw ach um aufzustehen...
    Nein, nicht, Ihr macht mir Angst! Legt Euch doch hin!«
    Steif aufgerichtet saß Bruder Elyas im Bett. Er starrte blicklos in die Ferne, hatte beide Hände an die Brust gepreßt und flüsterte Worte, die Gebete sein mochten, Selbstvorwürfe oder fiebrige, verworrene Erinnerungsfetzen. Gegen die Besessenheit, die von ihm Besitz ergriffen hatte, konnte Yves' ganze Kraft nichts ausrichten. Elyas wußte nicht einmal mehr, daß er da war. Wenn er mit jemandem sprach, so war es Gott oder irgendein unsichtbares Wesen.
    Yves sprang auf und lief hinaus, um Hilfe zu holen. Er schloß die Tür hinter sich. So schnell er konnte rannte er aus dem Krankenquartier durch das Schneegestöber auf dem Hof, hinüber zum Klostergebäude und dem geheizten Raum, wo die anderen jetzt sein würden. Er stolperte und fiel

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