Die Jungfrau Im Eis
so. Nun bin ich gekommen, um mein Möglichstes zu tun, dies wiedergutzumachen und muß hören, daß mein Bruder, der hier in Sicherheit war und den ich hoffte hier zu treffen, in der letzten Nacht das Kloster verlassen hat und wieder verschwunden ist.
An diesem, wie an allem anderen, kann ich nur mir allein die Schuld geben und sagen, daß es mir leid tut. Wenn ich irgend etwas tun kann, um die Suche nach ihm zu erleichtern...«
»Es gibt nur eins, womit Ihr uns helfen könnt«, sagte Beringar streng, »und das ist, uns wenigstens eine Sorge abzunehmen: bleibt hier und setzt keinen Fuß außerhalb des Hauses, bis wir Euren Bruder gefunden und zu Euch zurückgebracht haben.
Nur so können wir gewiß sein, daß wenigstens Ihr in Sicherheit seid und nicht wieder verlorengeht.«
»Das fällt mir schwer, aber ich werde tun, was Ihr befehlt.
Zumindest bis auf weiteres«, fügte sie hinzu und schob ihre Unterlippe vor.
»Dann gibt es noch ein paar Dinge, die ich jetzt, in aller Kürze, von Euch erfahren muß - der Rest kann warten. Ich bin nur zum Teil wegen Euch hergekommen. Es gehört zu meinen Aufgaben, für die Aufrechterhaltung des königlichen Friedens zu sorgen und Ihr, so glaube ich, wißt nur zu gut, daß man in dieser Gegend des königlichen Friedens spottet. Von Yves wissen wir, daß Ihr ihn und Schwester Hilaria in Cleeton zurückgelassen habt und Evrard Boterei habt wissen lassen, er solle kommen und Euch zu seinem Gut Callowleas bringen. Wir haben gesehen, was von Callowleas noch übrig ist und wir sind nach Ledwyche gegangen, um nach Euch zu suchen. Dort hörten wir von Boterei, Ihr seiet sicher mit ihm dort angekommen, jedoch wieder ausgeritten, um nach denen zu suchen, die Ihr verlassen hattet, während ihn das Fieber seiner Wunden, die er sich im Kampf zugezogen hatte, ans Bett fesselte. Was in Callowleas geschehen war, konnte auch woanders passieren - kein Wunder also, daß Ihr Euch schwere Sorgen machtet.«
Sie biß sich auf die Unterlippe, zog die Augenbrauen zusammen und sah ihm gerade ins Gesicht. »Da Evrard Euch all dies schon erzählt hat, brauche ich es nur noch zu bestätigen. Ich hoffe, er befindet sich auf dem Weg der Genesung. Ja, ich hatte Angst um sie. Dazu hatte ich allen Grund.«
»Was geschah mit Euch? Boterei hat uns gesagt, Ihr seiet nicht zurückgekehrt und als das Fieber nachließ und er feststellte, daß Ihr fort wart, hat er unablässig nach Euch gesucht. Es war töricht von Euch, alleine fortzureiten.«
Ein trauriges Lächeln spielte um ihren Mund. Sie hatte ihre Torheit bereits zugegeben. »Ich bin sicher, daß er überall nach mir gesucht hat. Jetzt kann er beruhigt sein. Nein, ich habe Cleeton nicht erreicht. Ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus, und dann brach die Nacht herein und es begann zu schneien... In der Dunkelheit verirrte ich mich hoffnungslos, das Pferd scheute und ging durch, und ich fiel herab.
Glücklicherweise fanden mich ein Wäldler und seine Frau und nahmen mich bei sich auf. Mein Leben lang werde ich ihnen dankbar dafür sein. Ich erzählte ihnen von Yves und daß ich mir Sorgen um ihn machte, und der Mann sagte, er werde nach Cleeton gehen und dort nach ihm fragen. Er kam zurück und berichtete, Johns Hof sei eine Nacht nach Callowleas überfallen worden und Yves werde schon seit jener Nacht vermißt, in der ich meinen größten Fehler beging.« Als sie dies sagte, warf sie stolz ihren Kopf zurück und richtete sich hoch auf. Mit blitzenden Augen sah sie sich um, als wolle sie sich verbitten, daß einer der Anwesenden in ihre Selbstverdammung mit einstimme oder aber versuche, sie zu begütigen. »Gott sei Dank konnten Johns und seine Familie heil entkommen. Und was ihre Verluste angeht, so betrachte ich sie als meine Schulden und werde sie dafür entschädigen. Doch eine Sache, die ich aus Cleeton hörte, beruhigte mich«, sagte sie, und aus ihrer Stimme sprach Wärme und Zuneigung, »denn man sagte mir, Schwester Hilaria sei lange bevor die Räuber kamen fortgegangen. Jener gute Mönch aus Pershore war in seiner Sorge um uns gekommen und hatte sie mitgenommen.«
Sie war so froh über diesen einen Trost, daß sie das lastende Schweigen gar nicht bemerkte. Eine Unschuldige wenigstens war der Lawine des Unheils entgangen, die ihre leichtfertige Eskapade in Gang gebracht hatte.
»Die ganze Zeit, während der ich bei ihnen war, haben wir gehofft, etwas von Yves zu hören. Wie konnte ich irgend etwas unternehmen, ohne zu wissen, wie es ihm geht?
Weitere Kostenlose Bücher